Der Mann berührt nicht

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Der Tiroler Autor Felix Mitterer schildert Franz Jägerstätters Leben wie in einem Doku-Drama, lässt seinen Werdegang unkommentiert - und wirft schließlich mehr Fragen auf, als er beantwortet.

Franz Jägerstätter, 1907 in St. Radegund geboren, verweigerte aus Glaubensgründen 1943 den Wehrdienst und wurde deshalb am 9. August 1943 durch das Fallbeil hingerichtet; 2007 kam es zur Seligsprechung durch die Katholische Kirche. 1938 träumte er von einem Zug, dem die Menschen zuströmten, doch er hörte eine Stimme, die ihn warnte, dass dieser Zug in die Hölle fahre. Dies interpretierte er als Warnung vor dem Nationalsozialismus.

"Jägerstätter“ kam nun in der Josefstadt in der Inszenierung von Stephanie Mohr zur Uraufführung, im Sommer ist das Stück beim Theatersommer Haag zu sehen. Am Beginn des Abends steht der Tod Jägerstätters: Seine Gattin Franziska erhält einen Brief, in dem ihr mitgeteilt wird, dass das Todesurteil an ihrem Gatten vollstreckt wurde. Nachdem sie den Brief vorgelesen hat, wirft ihr Rosalia, die Mutter von Franz, vor, dass sie den Sohn umgebracht habe. Diesem Vorwurf war Franziska Jägerstätter ihr Leben lang immer wieder ausgesetzt, und so stimmt das Ensemble chorisch in diese Vorwürfe mit ein.

Briefwechsel als Teil des Stücks

Briefe spielen überhaupt eine große Rolle, denn das Ehepaar hatte einen regen Briefwechsel, und Mitterer verwendet für seinen Text immer wieder Teile davon. Danach wird in einzelnen Szenen das Leben Jägerstätters chronologisch aufbereitet: sein Draufgängertum, sein cholerisches Verhalten (nachdem er jemanden niedergeschlagen hatte, saß er für drei Tage im Arrest) und sein uneheliches Kind mit einer Stallmagd kommen zur Sprache. Erst während seiner Zeit in Eisenerz findet er zum Glauben - die Kirche vermittelt ihm eine Geborgenheit, die ihm vorher gefehlt hat. In Franziska findet er eine Verbündete in dieser Überzeugung, und so gibt es nach der Hochzeit auch kein großes Fest, sondern eine Pilgerreise nach Rom. Bei der Abstimmung zum "Anschluss“ 1938 gibt Jägerstätter die einzige Nein-Stimme im Ort ab, doch diese Nein-Stimme wird von der Radegunder Wahlbehörde unter den Tisch fallen gelassen. Doch haben die Menschen in Radegund bis 1943 Jägerstätter immer wieder gedeckt und ihn trotz seiner Ansichten nicht denunziert.

Gerti Drassl spielt Franziska Jägerstätter als besonnene, aber starke Frau und bildet somit den eigentlichen Mittelpunkt des Geschehens. Dies wird dadurch verstärkt, dass sie sich fast immer auf der Bühne befindet; in den schweren Stunden Jägerstätters ist sie auf einer Balustrade, die sich im hinteren Teil des Bühnenraumes befindet, gegenwärtig. Ihre starke Gegenspielerin ist Elfriede Schüsseleder als Rosalia Jägerstätter.

Franz Jägerstätter hingegen wird eher als sturer Mann charakterisiert. Der tiefe Glaube, der hinter seiner Entscheidung steht, ist zu wenig zu spüren. Dies kommt vor allem zum Ausdruck, wenn Nationalsozialisten und Geistliche versuchen ihn zu überreden, seine Wehrdienstverweigerung zurückzunehmen: Da wird der Rosenkranz mehr wie ein Requisit denn als ein religiöses Symbol verwendet. Gregor Bloéb spielt die Hauptrolle als naiven, beinahe tölpelhaften Bauern. Sein Dialekt ist eher Tirolerisch als Innviertlerisch, während sich Gerti Drassl für einen Kunstdialekt entschieden hat, der sehr gut die Sprachmelodie Mitterers aufgreift. Generell ist die Sprache innerhalb des Ensembles sehr heterogen: Unterschiedlichste Dialektfärbungen bis hin zu Hochdeutsch sind in dieser Radegunder Dorfgemeinschaft zu hören.

Eingeschworene Dorfgemeinschaft

Das Bühnenbild (Miriam Busch) ist ein geschlossener, neo-rustikaler, heller Raum mit Geweihen an den Wänden sowie am Luster, der in der Mitte hängt. Durch das geräuschvolle Umstellen von Tischen und Sesseln wird der Wechsel zwischen den einzelnen Szenen vollzogen, und so entstehen unter anderem Wirtshaus, Gemeindeamt oder Gefängnis. Im ersten Teil des Abends befindet sich das Ensemble fast die ganze Zeit auf der Bühne, wodurch der Eindruck einer eingeschworenen Dorfgemeinschaft entsteht.

Letzten Endes bleibt man aber doch irgendwie seltsam unberührt.

Jägerstätter

Theater in der Josefstadt

14., 15., 16., 28., 29., 30. September, 19. Oktober

Theatersommer Haag

ab 3. Juli

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