Terror im Zeichen des Hakenkreuzes

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"Das junge Publikum vor allem im Landestheater, das bei der Premiere zu einem guten Teil die Abonnenten abgelöst hatte, zollte dem Ensemble der 'Weißen Rose' lang anhaltenden Beifall."

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"Jägerstätter" von Felix Mitterer am Landestheater Salzburg legt eine nie verheilende Wunde des Christentums offen.

Zwei Stücke, eines über den Kriegsdienstverweigerer Franz Jägerstätter von Felix Mitterer im Schauspielhaus Salzburg und das andere, über die Weiße Rose und ihre Protagonisten, die Geschwister Scholl und ihre Freunde, von Lillian Groag im Landestheater, erzählen -halb dokumentarisch -von Terror und Menschenverachtung im Zeichen des Hakenkreuzes. Jägerstätter sowohl wie die Geschwister Scholl und ihre Freunde wurden enthauptet.

Während sich das Ensemble von "Jägerstätter" im Schauspielhaus auf das Stück und seine Aussage konzentriert, engagiert sich jenes der "Weißen Rose" im Landestheater zusätzlich mit einem an das Publikum adressierten Flugblatt, in dem es u. a. heißt: "Demokratie und Frieden sind auch heute nur dann selbstverständlich, wenn wir uns gemeinsam für ihren Erhalt einsetzen."

So etwas wie Menschlichkeit

Was ist nun zu den beiden Stücken zu sagen? In beiden gibt es eine Figur von der "anderen Seite", die zunächst so etwas wie Menschlichkeit erkennen lässt: In Mittereres "Jägerstätter" ist es ein Offizier, der versucht, Jägerstätter aus den Fängen der NS-Todesmaschinerie herauszubringen. In der "Weißen Rose" von Lillian Groag versucht der Gestapo-Beamte Kriminalobersekretär Robert Mohr zunächst das Verfahren gegen die Studenten wegen der Verbreitung ihrer Flugblätter als Lappalie darzustellen und er bemüht sich, vor allem Sophie Scholl aus dem Verfahren herauszuargumentieren.

Sowohl der Offizier, der sich später erschießt, als auch der Polizist scheitern an der Hartnäckigkeit der Angeklagten -an Jägerstätters religiöser Überzeugung, stellenweise auch Fanatismus genannt, und an dem Verständnis von Freiheit und Ehre, die das nationalsozialistischen Regime so den Mitgliedern der Weißen Rose nicht zugestehen wollte. Sie hatten in dem inkriminierten Flugblatt geschrieben, man erwarte "die Brechung des nationalsozialistischen Terrors aus der Macht des Geistes." Die Hinrichtung durch das Fallbeil nach dem Urteil des "Bluthundes" Roland Freisler war die letzte Konsequenz.

Das junge Publikum vor allem im Landestheater, das dort diesmal bei der Premiere zu einem guten Teil die Abonnenten des Premierenringes abgelöst hatte, zollte dem Ensemble der "Weißen Rose" lang anhaltenden Beifall, voran der Sophie Scholl der Janine Raspe, dem Hans Scholl des Hanno Waldner und allen anderen Schauspielern, die Volkmar Kamm (Regie und Raum) vor einem bühnenhohen Hakenkreuz agieren ließ.

Im Schauspielhaus feierte das Premierenpublikum Theo Helm als Franz Jägerstätter und vor allem die berührend agierende Magdalena Oettl als seine Frau Franziska. Regisseur Peter Raffalt verstand es, den Chor, Mitglieder des Ensembles, als antiken Chor kommentierend, bedrohlich hetzend und gelegentlich schwankend in seiner Gesinnung, durch das Drama zu führen. Beide Stücke -wie gesagt, Theatertexte, auf historischem Material basierend, aber keine Dokumentationen -vergegenwärtigen die Greuel, die Erniedrigung von Menschen, denen alle Schmach und Qualen und Folter angetan wurden, die offensichtlich nur von Menschen erfunden werden konnten, einem Publikum, dem ein Weltkrieg, Bombenterror, KZ nur aus Dokumentationen und historischen Arbeiten bekannt sein kann. Aber, und das ist die große Einschränkung, wer beschäftigt sich schon mit der jüngeren Vergangenheit, um die Zukunft so zu gestalten, dass derlei nicht mehr möglich ist?

Wie hätte ich mich entschieden?

Felix Mitterer legt eine nie verheilende Wunde des Christentums offen: Der Slogan "Ein Volk, ein Reich, ein Führer" hat selbst Eminenzen und Exzellenzen verführt, den Zweiten Weltkrieg nicht nur gutzuheißen, weil angeblich gegen den Bolschewismus gerichtet, sondern die Toten als "auf dem Feld der Ehre" Gefallene zu apostrophieren. Den Gewissensanspruch des Franz Jägerstätter, auf niemanden zu schießen und - selbst um den Preis des Lebens -alle Alternativen dazu auszuschlagen und eine innig liebende Gattin und drei Kinder zurückzulassen -ein solches Phänomen ist der katholischen Kirche in jüngerer Vergangenheit nicht mehr untergekommen. Diese Absolutheit des Gewissensspruchs Jägerstätters, des "Querulanten" und "religiösen Fanatikers", hat den christlichen Glauben in ein bestürzendes Dilemma für die Heutigen geführt: Niemand in den liberalen Demokratien kann sich mehr vorstellen, wie die Familie Jägerstätters an den Rand der Existenz getrieben wird und seine Frau Franziska weiter zu ihm gehalten hat.

Wer die NS-Zeit selbst erlebt hat oder sie durch Studium von Dokumenten einigermaßen kennt, fragt sich vielleicht, wie Felix Mitterer auch: Wie hätte ich mich entschieden? Und selbst Mitterer sagt, Jägerstätter war ein Mensch, "der getan hat, was andere nicht getan haben und ich auch nicht tun würde: Einfach Nein zu sagen, obwohl es den Kopf kostet."

Und zur "Weißen Rose": Inge Scholl, die Schwester von Hans und Sophie, schreibt in der "Weißen Rose"(1955):"Und vielleicht liegt darin das Große, dass sie für so etwas Einfaches eintraten und ihr Leben dafür aufs Spiel setzten, dass sie die Kraft hatten, das einfachste Recht mit einer letzten Hingabe zu verteidigen."

In einem Flugblatt der Münchener Studenten hieß es, und das ist bis heute zu bedenken: "Wir schweigen nicht, wir sind Euer böses Gewissen; die Weiße Rose läßt Euch keine Ruhe!"

Sich einsetzen

Der Gestapo-Beamte Robert Mohr (Marcus Bluhm) versucht Sophie Scholl (Janina Raspe) zu helfen - vergeblich.

Die Weiße Rose Landestheater Salzburg, 17., 19., 20. Feb. 2018

Jägerstätter Schauspielhaus Salzburg, 8., 12., 14. Dezember

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