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Nachtrag zum Fall Jägerstätter

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Der oberösterreichische Bauer und Mesner Franz Jägerstätter, dessen Hinrichtung am 9. August sich heuer zum 49. Mal jährte, ist im Laufe der Zeit mit Recht von einem umstrittenen Einzelgänger mehr und mehr zu einem menschlichen und politischen Vorbild, ja zu einem Anwärter auf die Kanonisierung geworden, dem die Kirche Ehre und Anerkennung zuteil werden läßt, obwohl die Ortskirche seiner Zeit seinem Entschluß ablehnend bis verständnislos gegenüberstand.

Franz Jägerstätter war eine prophetische Persönlichkeit, die ihrer Zeit voraus war und es auf einen Konflikt nicht nur mit der staatlichen, sondern auch mit der kirchlichen Autorität ankommen ließ, aus der festen Überzeugung ihres Gewissens heraus, einer gerechten Sache dienen und die Teilnahme an einem ungerechten Krieg verweigern zu müssen. Jägerstätter ist freilich auch gegen Mißverständnisse zu schützen, die sich bei Betrachtung seiner Person und seines Martyriums leicht einschleichen und seine Verehrung in eine falsche Richtung lenken könnten.

So war Jägerstätter, wie aus seinen Äußerungen und Aufzeichnungen hervorgeht, kein Pazifist, der den Krieg grundsätzlich verwarf, war er doch dafür eingetreten, Österreich . 1938 gegen den Angriff Hitlers militärisch zu verteidigen. Er nahm die traditionelle kirchliche Lehre vom gerechten Krieg

durchaus ernst, nur daß er sie, die so oft als Ideologie zur Rechtfertigung von Kriegen verwendet worden war und verwendet wurde, im konkreten Fall des Hitler-Krieges heranzog, um diesen Eroberungskrieg als ungerecht zu erklären und ihm unter Berufung auf diese Gewissensentscheidung die Gefolgschaft zu versagen.

Denn wenn es gerechte Kriege gibt, muß es auch ungerechte geben, und da Kriege von den Kriegführenden selbst begreiflicherweise nie als ungerecht erklärt werden und sich auch die Kirche mit ihrem Urteil zurückhält, ist es Sache des einzelnen, eine solche Gewissensentscheidung zu fällen und die Konsequenz dieser Entscheidung auf sich zu nehmen, wie es Jägerstätter bis zur Justifizierung in Berlin tat.

Jägerstätter war aber auch kein religiöser Individualist und Sektierer, als den ihn manche sehen. Er leitete seine einsame Entscheidung nicht nur aus seinem Gott allein verantwortlichen Gewissen ab, sondern berief sich auf die Kirche der Heiligen und Märtyrer, also eine Gemeinschaft, die die der Lebenden überragt und zu Allerheiligen mit einem eigenen Fest, das Lebende und Tote vereint, geehrt und bestätigt wird. Diese Kirche transzendiert die bloße der Lebenden ebenso wie der mystische Leib Christi die sichtbare Kirche auf Erden übersteigt und vollendet.

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