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Dein Wort aber sei...

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ER FOLGTE SEINEM GEWISSEN. Von Gordon C. Zahn. Das einsame Zeugnis des Franz Jägerstatter. Verlag Styria, 1967. SIS Selten. S 118.-.

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ER FOLGTE SEINEM GEWISSEN. Von Gordon C. Zahn. Das einsame Zeugnis des Franz Jägerstatter. Verlag Styria, 1967. SIS Selten. S 118.-.

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Der amerikanische Soziologe Gordon Zahn stieß bei den Vorstudien zu einem anderen Werk zufällig auf die Erwähnung eines Bauern aus Oberösterreich, der im Jahr 1943 hingerichtet worden war, weil er sich aus Gewissensgründen weigerte, zur deutschen Wehrmacht einzurücken. Als Soziologen interessierte Zahn zunächst besonders die Frage, wie es zugegangen sei, daß ein Mann von geringer Bildung aus einem entlegenen Dorf, der für Frau und Kinder zu sorgen hatte, zum „Rebellen“ geworden war. Zahn begann später, vorwiegend in persönlichen Gesprächen, alle Umstände dieses Falles zu erforschen. Das Ergebnis seiner Untersuchungen ist der vorliegende Bericht, ohne den wir Österreicher wohl kaum von, einem Landsmann erfahren hätten, dessen Name vielleicht die der sogenannten Großen jener Tage überdauern wird.

Wir hören, daß Franz Jägerstatter in seinem Dorf St. Radegund wegen seiner Hilfsbereitschaft allgemein beliebt war, doch bedauerte man es, daß der fesche, lustige Bursch plötzlich „fanatisch“ oder, wie andere es ausdrückten, „übertrieben fromm“ geworden sei. Die Schuld daran gab man seiner Frau, da die Wandlung zeitlich etwa mit der Heirat zusammenfiel. Doch weist G. Zahn nach, daß die Frau zwar den Entschluß ihres Mannes, den Militärdienst zu verweigern, respektiert hat, aber zunächst und auch noch kurz vor seinem Tod versuchte, ihn davon abzubringen. Ebenso weist er nach, daß Jägerstatter nicht, wie kirchlicherseits vermutet wurde, unter dem Einfluß eines Vetters stand, welcher der Sekte der Bi-belforscher beigetreten war, sondern daß er, im Gegenteil, versucht hatte, jenen in die Kirche zurückzuführen. Außerdem ist dieser Vetter selbst ein Jahr vor der Einberufung Jäger-stätters zum Militär eingerückt!

Genau dies nämlich unterscheidet seinen „Fall“ von ähnlichen: Franz Jägerstatter war ein treuer Sohn der katholischen Kirche und berief sich ausschließlich auf ihre Lehre, die Lehre vom „gerechten Krieg“. Er vermochte nicht einzusehen, wieso Hitlers Krieg gerecht sein sollte. Die Priester, mit denen er sich besprach, gaben ihm mit allem Nachdruck zu bedenken, daß ihm darüber weder ein Urteil zustehe, noch daß ein solches überhaupt mögUeh.fej. E^habe für sfki Privat-le fe*uml' für*.?e1nfc familie einztt*-stehen: Hieftu''scfirelBt *er1'-'„Zu was hat denn dann Gott alle Menschen mit einem Verstand und freien Willen ausgestattet, wenn wir ohnedies blinden Gehorsam zu leisten haben, oder... daß es dem einzelnen nicht zusteht, zu entscheiden, ob dieser Krieg... gerecht oder ungerecht ist — zu was braucht man dann noch eine Erkenntnis zwischen dem, was gut und böse ist?“ Und ferner: „Wer das aber fertigbringt, für beide Reiche zu kämpfen, bei allen beiden Gemeinschaften gut zu stehen, nämlich bei der Gemeinschaft der Heiligen und bei der Nationalsozialistischen Volksgemeinschaft, jeden Befehl, der im Dritten Reich gegeben wird, zu befolgen, ohne dabei mit den Geboten Gottes in Konflikt zu geraten, der mag meinetwegen ein großer Künstler sein. Ich bring' das eben nicht fertig. Und so will ich halt doch lieber auf die Rechte im Dritten Reich Verzicht leisten und mir die Rechte im Gottesreich sichern. Gut ist es freilich nicht, daß man der Familie dieses Leid nicht ersparen kann. Aber die Leiden dieser Welt sind kurz und gehen alle vorüber. Dann sind diese Leiden doch gar nicht zu vergleichen mit denen, die Jesus Seiner lieben Mutter durah Sein Leiden und Sterben nicht ersparen kannte.“

Alle Priester, von denen Franz Jägerstatter sich Zuspruch und Bestärkung erhoffte, ließen ihn allein. Sie fühlten sich verpflichtet zu dem Versuch, sein Leben zu retten und setzten ihm deshalb zu, seinen „sinnlosen“ Widerstand aufzugeben. Er begegnete ihnen mit Ehrfurcht, und keiner hat ihm die persönliche Hochachtung versagt. Der Priester, der ihn zum Schafott geleiten mußte, sagte am Abend darnach: „Ich habe die Gewißheit, daß dieser einfache Mensch der einzige Heilige ist, der mir in meinem Leben begegnet ist.“

Der Pfarrer von St. Radegund hat gegen erheblichen Widerstand der Gemeinde erreicht, daß auch der Name Jägerstatter auf dem Kriegerdenkmal eingemeißelt wurde. Sein Bischof allerdings, den der Bauer in seiner Gewissensnot ebenfalls aufgesucht hatte, erklärte noch 1946, Jägerstatter sei „mehr zu bewundern als nachzuahmen“ und bekennt: „Ich halte jene... für die größeren Helden, die in heroischer Pflichterfüllung, und in der tief-, gläubigen Auffassung, den Willen Gottes auf ihrem'äte au*-eriHSte/ wie einst die christlichen Soldaten im Heere des heidnischen Impera tors, gekämpft haben und gefallen sind.“

Die Frage nach der „Zulässigkeit“ oder gar „Gewissenspflicht“ der Kriegsdienstverweigerung ist leider noch immer aktuell. Deshalb sollte es kein Christ, und vor allem kein Seelsorger versäumen, sich mit dem geistlichen Vermächtnis Franz Jäger-stätters auseinanderzusetzen. Gordon Zahn gebührt Dank, daß er es uns zugänglich gemacht hat. Die Übersetzung von Grete Steinbock ist ausgezeichnet.

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