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RESPEKT VOR DEM GEWISSEN
Bei der ersten - zufälligen - Begegnung mit Frau Franziska Jägerstätter wird blitzartig klar: Sonderling war ihr Mann keiner, er war vielmehr ein Mensch, der eine tiefe Erfahrung mit Gott gemacht hat. Nach ihren Erzählungen und dem Briefwechsel war er warmherzig und hatte Freude am Leben.
Entscheidenden Anteil an seinem religiösen und menschlichen Wachsen und Werden hatte seine Frau Franziska. Sie stammte aus einer tiefgläubigen Bauernfamilie und war zudem durch eine Jugendgruppe geprägt. Sie hatte Exerzitien, Bibellektüre als beglückend erlebt und konnte ihre Erfahrungen mit ihrem Mann teilen und er nahm sie begeistert auf. Die beiden vermochten auf phantasievolle Weise ihre Liebe zu zeigen. Drei Töchter vervollständigen das Glück. Franz sagte manchmal zu seiner Frau: „Ich habe mir nicht vorstellen können, daß Verheiratetsein so schön sein kann.”
Getrübt wurde das Glück erstmals anläßlich des deutschen Einmarsches im März 1938. Unmittelbar danach wurde Franz von einigen Dorfbewohnern gefragt, ob er nicht Bürgermeister von St. Radegund werden wolle; er verneinte und machte klar, daß Nationalsozialismus sich mit dem Glauben nicht vereinen ließe. Es kam auch bald zum Konflikt. Franz erklärte, daß er nicht zur Abstimmung über den „Anschluß” gehen werde, das sei ja keine Wahl, wenn die schon mit den Panzern da seien. Im Dorf entstand darauf eine große Aufregung, was geschehen würde, wenn einer nicht hinginge.
Auch Franziska spürte bereits den Terror „von jedem Dorf haben sie ja schon Menschen weggebracht”. Sie sagte zu Franz: „Wenn Du nicht zur Wahl gehst, mag ich Dich nicht mehr.” Franz erschrak, die beiden sprachen sich aus und Franziska lernte aus dieser Erfahrung Gewissensentscheidungen ihres Mannes zu respektieren. Nie, auch nicht in der größten Sorge um den Mann, übte sie Druck auf ihn aus, in ihren Briefen ins GefängnisTfindet sich nicht einmal ein Satz wie: „Denk an mich und an die Kinder!” Franz ging dann schließlich doch zur Abstimmung, stimmte mit „Nein”, die Gemeinde St. Radegund meldete 100 Prozent Jastimmen.
Im März 1943, während der ersten Wochen der Haft im Linzer Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis, kommt Franz Jägerstätter in eine Glaubenskrise; den entscheidenden Halt gibt das zusammen mit seiner Frau in der Ehe erfahrene Glück: „Wenn ich so Rückschau halte und all dies Glück und die vielen Gnaden, die uns während der sieben Jahre zuteil geworden sind, die manchmal sogar an Wunder grenzten, betrachte und es würde mir jemand sagen, es gibt keinen Gott oder Gott hat uns nicht lieb und würde dies glauben, wüßte ich schon nicht mehr wie weit es mit mir gekommen wäre.”
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