"Natur muss kein Kapital sein“

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Der Politikwissenschafter Ulrich Brand über die Mängel und die Systemschwächen der globalen Nachhaltigkeitspolitik.

Ulrich Brand ist Professor für Internationale Politik an der Universität Wien. Er arbeitet an einem Forschungsschwerpunkt zum Thema internationale Ressourcen- und Umweltpolitik. In seinen zahlreichen Büchern kritisiert Brand das Wirtschaftsmodell der Industrie- und Schwellenländer.

Die Furche: Erwarten Sie, dass die Weltnachhaltigkeitskonferenz in Rio ein nachhaltiger Erfolg wird?

Ulrich Brand: Was ich sehr positiv finde, ist, dass es im Vorfeld von "Rio+20“ ein breite öffentliche Diskussion über Probleme der Nachhaltigkeit gibt. Über die Fragen der Übernutzung von Ressourcen und das Verhältnis Nord-Süd. Wie gehen wir mit dem industriellen Aufholprozess in den Schwellenländern um, was heißt Wachstumsschwäche?

Die Furche: Und was erwarten Sie von der großen Konferenz selbst?

Brand: Die wird im schlechtesten Fall eine Roadshow der brasilianischen Regierung werden, die es vorzüglich versteht, ihr auf Ressourcenausbeutung basierendes Entwicklungsmodell grün anzumalen. Man sieht das an der Abholzung der Regenwälder, den Bau von Megastaudämmen, den Plantagen für Agrartreibstoffe, die nicht nachhaltig sind. Aber es gibt noch eine andere Gefahr. Der Begriff der grünen Ökonomie, der in Rio sehr prominent verwendet werden wird, könnte zu einer Art nicht hinterfragbarer Leitformel werden, einer Formel, die sagt, wir kommen jetzt aus der Krise indem wir Investitionen in grüne Bereiche richten.

Die Furche: Was sollte daran denn schlecht sein?

Brand: Für sich genommen machen diese Investitionen Sinn.Wir brauchen Ressourceneffizienz und Umwelttechnologien. Die Gefahr ist aber, dass das eine Form der kapitalistischen Modernisierung wird, die den großen Playern auf den Weltmärkten die Hauptrolle überlässt, aber Betroffene ohne starke Lobby und anderen politisch-ökonomischen Konzepten keine Chance lässt.

Die Furche: Dann wäre "Nachhaltigkeit“ eine Gefahr?

Brand: Der Begriff "nachhaltige Entwicklung“ hat einen Denkkorridor gesetzt, der sagt, die Natur muss einen Wert bekommen, Kapital sein. Aber warum muss die Natur ökonomisch gesehen werden, warum muss sie immer Ressource sein? Das ist kaum hinterfragbar. Diese Gefahr sehe ich auch im New Economy Diskurs.

Die Furche: Wie könnte man das ändern?

Brand: Wir brauchen eine Umorientierung in unserer Gesellschaft. Wir müssen das Wachstumsdogma unseres Systems infrage stellen. Die Politiker, die nach Rio fahren, wollen sicher alles zum Guten verändern. Aber sie sind eingebettet in Strukturen, die das Gegenteil verlangen.

Nachhaltig

Der Begriff Nachhaltigkeit meint eine Entwicklungspolitik, welche die Bedürfnisse der heutigen Generation befriedigt, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu beeinträchtigen. Ein kategorischer Imperativ der Umweltpolitik.

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