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Haben wir zuviel Ärzte?

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Diese Frage sowie die wirtschaftliche Notlage der Jungärzte haben in den letzten Jahren wiederholt die Oeffentlichkeit beschäftigt. Die damit zusammenhängenden Probleme gehen bei der Wichtigkeit, die gerade dem ärztlichen Beruf für das allgemeine Wohl zufällt, über eine bloße Frage der Nachwuchsgestaltung hinaus und betreffen uns alle. Obgleich die Volks- und Berufszählung vom 1. Juni 1951 nicht über alle Momente Auskunft geben kann, die für eine Beurteilung der Berufsaussichten von Bedeutung sind, so vermitteln die vorliegenden Unterlagen eine Antwort auf folgende Fragen:

1. Wie groß ist die Zunahme der Zahl der Aerzte?

1934 gab es in Oesterreich rund 7370 Aerzte, 1951 bereits 10.950! Dies bedeutet, daß sich die Zahl der Aerzte innerhalb der letzten 17 Jahre um 3580 oder fast 50 Prozent vermehrt hat. Diese Zunahme ist aber nicht die Folge einer konstanten Aufwärtsentwicklung, denn 1938 erfolgte ein schwerer Rückschlag. Die deutsche Okkupation führte zu einem Sinken der Zahl der Aerzte, das jedoch im Verlauf der weiteren Entwicklung überkompensiert wurde. Der große Bedarf an Aerzten während des Krieges und die deshalb Medizinstudenten gewährten Erleichterungen dürften dazu beigetragen haben, daß die Kriegsjahre die Berufsvorbereitung der Mediziner nicht so ungünstig beeinflußten, wie dies bei anderen Berufen der Fall war. Das starke Anschwellen der Hörerzahl an den medizinischen Fakultäten nach Kriegsende ist nicht nur auf die Heimkehrer zurückzuführen, sondern zu einem erheblichen Teil die Folge des Ansteigens der Zahl der weiblichen Hörer. Die Zunahme der Zahl der Aerzte verteilt sich auf die Bundesländer wie folgt:

Bundesland Zahl der Aerzte Zunahme

1934 1951 'in Prozenten

Wien1 3880 4650 20

Niederösterreich1 990 1100 11

Oberösterreich 570 1330 133

Salzburg 200 520 160

Steiermark 870 1550 78

Kärnten 240 550 129

Tirol > 380 850 124

Vorarlberg 110 260 136

Burgenland 130 140 8

Oesterreich 7370 10.950 49

1 Jeweiliger Gebietsstand.

Für die Entwicklung in Wien auf dem heutigen Gebietsstand liefert die Zählung 1939 wertvolle Unterlagen. Damals gab es um 29 Prozent weniger Aerzte als 1934, während seit 1939 eine Steigerung der Zahl der Aerzte um 67 Prozent festzustellen ist. In fünf Bundesländern, nämlich in Oberösterreich, Salzburg, Kärnten, Tirol und Vorarlberg, hat sich die Zahl der Aerzte mehr als verdoppelt. Die geringste Zunahme hat das Burgenland aufzuweisen.

2. Wie viele Frauen üben den ärztlichen Beruf aus?

Die in den letzten Jahrzehnten, ja Jahren vollzogene Umschichtung im Geschlechtsverhältnis der Berufsträger ist auch bei den Aerzten sichtbar. Da in den letzten Jahrzehnten der Drang der Jugend, und hier besonders der weiblichen Jugend, nach höherer Schulbildung in immer steigendcrem Maße hefriediVr. werden konnte, verstärkte sich der

Zustrom zu akademischen Berufen, und eine größere Zahl von Frauen als je zuvor wandte sich dem Hochschulstudium zu. Der ärztliche Beruf übt eine besondere Anziehungskraft aus, da er eine vielseitige Tätigkeit ermöglicht. Während es 1951 um „nur“ 38 Prozent mehr männliche Aerzte als 1934 gab, hat die Zahl der weiblichen Aerzte eine Steigerung 'von 157 Prozent erfahren. 1934 waren von je 100 Aerzten neun weiblich, 1951 bereits 16! Besonders deutlich tritt dieses Vordringen der Frau in Erscheinung, wenn man die Aerzte im Alter von unter 30 Jahren betrachtet; 1934 waren von diesen 17 Prozent weiblich, 1951 nahezu ein Drittel ! Interessant ist auch eine Aufstellung über den Prozentanteil der Frauen an den jährlich zu Doktoren der Medizin Promovierten. Er belief sich im Studienjahr

1934/25 auf 11 Prozent ( • ■ 1935/36 „ 17 • „ • h ■ 1947/48 „ 24 „ 1950/51 „ 26

Die folgende Uebersicht gibt Aufschluß über den Anteil der Frauen an den ärztlichen Berufsträgern in Ländern, für die Unterlagen greifbar waren:

Von je 100 Aerzten waren weiblich: Oesterrefch 1934 9

1951 16 Deutschland* 1933 , 9

1950 15

Irland 1946 16

Schweiz' 1934 7

1952 12 Niederlande* 1930 5

1947 10

* Für 1950 Bundesrepublik Westdeutschland. Quelle: „Die Volkszahlungsergebnisse vom 16. Juni 1933 bzw. 13. September 1950.“

* Quelle: „Die statistischen Handbücher.“

3. Wie alt sind die Aerzte?

Diese Frage gewinnt für die Beurteilung der Berufsaussichten große Bedeutung, da wichtige Punkte, wie Ueberalterung, Vertretung des Nachwuchses usw., geklärt werden. Aus den bereits erwähnten Gründen, nämlich dem Zustrom von Frauen zum medizinischen Studium sowie der Propaganda für diesen Beruf während des Krieges und dem damals bestehenden Bedarf an Aerzten, der viele junge Menschen veranlaßte, diesen Beruf .zu ergreifen, fallen die jüngeren Jahrgänge heute stärker ins Gewicht als 1934.

Von je 100 Aerzten standen im Alter von Jahren

unter 30 30—50 50—65 65 und darüber

Zusammen w4 2fi , _ ■

... 1951 14 60 21 5 Mannhch m4 1} „ g

w.k,;. 1951 17 59 19 5 *e,bkh 1934 14 58 21 7 '

1951 hatte also jede dritte Aerztin das 30. Lebensjahr noch nicht überschritten, während es bei den Männern nur jeder siebente war.

4. Ist eine Bewegung von der Selbständigkeit zur Unselbständigkeit festzustellen?

Von großem Interesse ist eine Untersuchung der sozialen Stellung der Aerzte, ob sie eine eigene Praxis ausüben, also selbständig sind, oder als Unselbständige ihrem Beruf nachgehen (zum Beispiel Spitalärzte, Gastärzte, Werkärzte usw.). Hierbei ist zu bedenken, daß manche Aerzte zwar in einem Angestelltenverhältnis stehen, daneben aber noch eine Praxis haben. Dieser Doppelstellung konnte im Rahmen der Volkszählung 1951 nicht Rechnung getragen werden, sondern wie bereits 1934 wurde jene soziale Stellung erfaßt, w.elcher der Befragte den Vorzug gegeben hatte. Ein Vergleich mit 1934 ist sehr aufschlußreich. 1934 waren 58 Prozent der Aerzte selbständig, ein Prozentsatz, der 1951 auf 54 Prozent gesunken war. Diese Zunahme

der Unselbständigen dürfte unter anderem darauf zurückzuführen sein, daß die jungen Aerzte, die heute zahlenmäßig stärker vertreten sind als 1934, sich infolge der wirtschaftlichen Verhältnisse erst nach einer gewissen Zeitspanne selbständig machen können. So waren von den Aerzten im Alter von unter 30 Jahren nur 9 Prozent selbständig, von den im Alter von 30 bis 50 rund 57 Prozent, während die entsprechenden Anteile für 1934 sich auf zirka 12 bzw. 62 Prozent beliefen. In den älteren Gruppen ist durchwegs ein Ansteigen des Prozentanteiles der Selbständigen festzustellen, so bei den Aerzten im Alter von 50 bis 65 Jahren von 68 Prozent auf 77 Prozent!

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