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Sauerstoff für erstickendes Gewebe

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Die Ozon-Sauerstoff-Therapie hat schon viele Patienten mit Gefaßerkrankungen vor Amputationen bewahrt.

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Die Ozon-Sauerstoff-Therapie hat schon viele Patienten mit Gefaßerkrankungen vor Amputationen bewahrt.

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Der Begriff „Ozon” ist uns heute vor allem im Zusammenhang mit dem die Erde umgebenden „Ozon-Schutzmantel” geläufig, der durch seinen Filtereffekt alles Leben vor der gefährlichen Ultraviolettstrahlung schützt. „Bodennahes Ozon” ist andererseits zum Synonym für die Schadstoffbelastung der Luft geworden. Dieses Ozon, das bei vermehrter Anwesenheit von Stickoxyden durch die UV-Strahlung der Sonne aus dem Sauerstoff der Luft gebildet wird, ist zwar nicht die Ursache, sondern nur ein leicht nachweisbarer Indikator für die Umweltbelastung; dennoch gilt es als „Umweltgift” und kann auch tatsächlich bei entsprechender Konzentration und Einwirkungsdauer die Atemwege schädigen.

Umso überraschender ist, daß Ozon - chemisch ein Molekül aus drei Sauerstoffatomen - auch ein überaus wirksames Heilmittel sein kann. „Die < Ozon-Sauerstoff-Therapie ist zwar kein Wundermittel, es können aber bei sachgemäßer Anwendung augenscheinliche Heilerfolge erzielt werden”, erläutert der Wiener Chirurg Ottokar Bokitansky.

Schon viele Patienten mit arteriellen Verschlußkrankheiten im fortgeschrittensten Stadium, bei denen ein gefäßchirurgischer Eingriff aus den verschiedensten Gründen nicht möglich war, konnten durch die Ozon-Anwendung vor der gefürchteten Oberschenkel-Amputation bewahrt werden. Die Ozontherapie verbessert die Durchblutung über die Umgehungskreisläufe. Beinges'chwüre und Ze-henweichteilgangräne - Gewebeveränderungen, die entstehen, wenn infolge der fehlenden Blutversorgung die Zellen absterben - werden zur Abheilung gebracht, oder es kann zumindest mit Grenzzonenamputationen das Auslangen gefunden werden, weil durch die verbesserte Blutzirkulation im feinsten Kapillarbereich die kleinen Amputationsstümpfe rasch und komplikationslos abheilen.

Für die medizinische Anwendung wird das Ozon mit einem Ozongenerator aus reinstem Sauerstoff hergestellt und mit Millionstel Gramm pro Milliliter genau dosiert. Bei der sogenannten „großen Eigenblutbehandlung” wird dem Patienten Blut aus der Vene in eine Infusionsflasche abgenommen, dort mit einem Ozon-Sauerstoff-Gemisch angereichert und dem Patienten wieder reinfundiert; bei der „kleinen Eigenblutbehandlung” wird in eine Spritze abgenommenes Blut ozonisiert und in den Muskel injiziert. Daneben kommen auch andere lokale Anwendungsformen in Betracht, etwa die Ozonbegasung von Wunden, die in einem Kunststoffbeutel durchgeführt wird.

Die desinfizierende Wirkung des Ozons, die seit der Jahrhundertwende in vielen Ballungszentren der Welt für die Trinkwasseraufbereitung genutzt wird, wurde erstmals während des Ersten Weltkrieges bei der Wundbehandlung von infizierten Kriegsverletzungen eingesetzt. Gelangt Ozon in die Blutbahn, wirkt es stark durchblutungsfördernd und reichert das Gewebe mit Sauerstoff an; eine Erkenntnis, die in der Erfahrungsheilkunde jahrzehntelang genutzt wurde, ohne daß jedoch die genaue Wirkungsweise des Ozons im Blut bekannt gewesen wäre.

Der deutsche Biochemiker Henry Albers wies Anfang der sechziger Jahre nach, daß das in das Blut eingebrachte Ozon selektiv mit den Doppelbindungen ungesättigter Fettsäuren reagiert, woraus kurzkettige Peroxyde entstehen, die Oxidations-prozesse beschleunigen. Bund zehn Jahre später führte Ottokar Bokitansky gemeinsam mit dem Biochemiker Josef Washüttl von der Technischen Universität in Wien biochemische, blutgasanalytische und hämorheolo-gische - die Fließeigenschaften des Blutes betreffende - Untersuchungen durch und konnte nachweisen, daß unter Einwirkung des Ozons die Sauerstoffabgabe vom Blut in das Gewebe verbessert wird.

Darüber hinaus verringert sich die Tendenz der roten Blutkörperchen und Blutplättchen, sich zusammenzuballen, zugleich wird die Verformbarkeit der roten Blutkörperchen erhöht, sodaß sie auch feinste Kapillargefäße passieren können.

Alle von beiden Wissenschaftern erarbeitetenU ntersuch u ngsergebn is -se sind reproduzierbar, wie Bokitansky betont. Der Wiener Chirurg konnte damit1 allen Skeptikern zum Trotz - die Ozontherapie als klinisch gesicherte und wissenschaftlich begründete Behandlungsmethode in der Ganzheitsmedizin etablieren.

Die praktische Bedeutung läßt sich erahnen, wenn man sich vor Augen führt, daß viele Krankheiten und Beschwerden - besonders im Alter - entweder durch Sauerstoffmangelzustände hervorgerufen werden oder aber solche verursachen und damit weitere Folgeerkrankungen auslösen. Zum Anwendungsspektrum gehören neben den degenerativen Gefäßerkrankungen, die weltweit im Zunehmen begriffen sind, und dem Einsatz in der Geriatrie auch die Nachbehandlung nach Schlaganfällen und Herzinfarkten sowie Akne und Ekzeme. Auch bei schmerzhaften Gelenkserkrankungen konnte - nach Ausschöpfung aller anderen Therapieformen — durch die Ozonanwendung eine schnelle Schmerzlinderung, Entzündungshemmung und Steigerung der Beweglichkeit erreicht und den Patienten die Behandlung mit Kortisonpräparaten-erspart werden.

Grund genug auch für immer mehr Allgemeinmediziner, diese bei fachgerechter Anwendung weitgehend risikolose und nebenwirkungsfreie Behandlungsmethode einzusetzen. AVinfried Gaube, praktischer Arzt in Spielberg in der Steiermark, betont einen weiteren, zwar nicht objektivierbaren, aber doch erklärbaren Effekt: die Steigerung des subjektiven Wohlbefindens der Patienten. „Die Leute fühlen sich aktiver, berichten über verbesserte Leistungs- und Merkfähigkeit. Viele kommen regelmäßig im Herbst zur Behandlung -auch, um Infekte zu vermeiden.” Letzteres ist wissenschaftlich begründet: Ozon wirkt zwar in hohen Dosen immunsuppressiv, in den für die Ozontherapie angewendeten niedrigen Dosierungen regt es jedoch *das Immunsystem an.

Womit sich einmal mehr der Kreis zwischen Erfahrungs- und Schulmedizin schließt. Gerade im Zusammenhang mit Ozon sind, so Bokitansky, „seit seiner Entdeckung bis zur wissenschaftlich begründeten Anwendung viele Irrwege eingeschlagen worden”. Heute steht dem Einsatz von Ozon als Heilmittel nichts mehr entgegen.

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