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Atemnot in den frühen Morgenstunden

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Stiegen erklimmt man langsam. Bei größeren körperlichen Aktivitäten schnappt man nach Luft. Manchmal wird es in der Brust eng und der Inhalationsspray zum regelmäßigen Gebrauchsgegenstand. Eine Nacht durchzuschlafen wird auch immer seltener, denn meistens erwacht man mit Beklemmung oder gar Atemnot. Asthma - bei vielen Menschen beginnt diese heimtückische Krankheit schon in der Kindheit. Asthma bronchiale ist eine chronische Atemwegserkrankung, die durch akut auftretende Verschlechterung der Atemleistung gekennzeichnet ist. Asthmapatienten benötigen eine kontinuierliche medizinische Betreuung, wie Internist Wolfgang Pohl, Oberarzt am Wiener Wilhelminenspital, bekräftigt.

Fälschlicherweise wird immer angenommen, daß der Asthmatiker nicht einatmen kann. Aber genau das Gegenteil ist der Fall: Seine Bronchien und Lungen sind voller Luft, die nicht ausgeatmet werden kann. Die Krankheit beruht auf einer Fehlfunktion der ringförmig umlaufenden glatten Muskulatur der Bronchialwand. Diese Muskelfasern stellen die Bronchien enger oder weiter. Der zeitliche Rhythmus dieser Tätigkeit umfaßt 24 Stunden und wird als zirkadianer Rhythmus bezeichnet. Zwischen zwei und sechs Uhr morgens ist der Durchmesser der Bronchien am geringsten, da in dieser Zeit der ruhende Organismus weniger Sauerstoff braucht.

Beim Asthmapatienten, dessen Bronchien auch tagsüber eng sind, wird deren Durchmesser noch schmäler. Dieser Umstand erklärt, warum Menschen, die an Asthma bronchiale leiden, in der Regel nach Mitternacht Beschwerden haben, die den wertvollen Nachtschlaf unterbrechen.

Ein weiterer Umstand, der bei der Mehrzahl der Erkrankungen ausschlaggebend ist, sind Beizstoffe in der Atemluft, die man auch Allergene nennt. „Schon lange beobachten wir eine zunehmende Reaktionshäufigkeit der Atemwege auf Umweltschäden", erklärt dazu Primarius Michael Neumann vom Pulmologi-schen Zentrum in Wien.

Die Allergene können eine Verengung der Bronchien bewirken, die Folge ist eine Verlangsamung des Atemstromes. Die Absicht hinter dieser Reaktion: Reizstoffe können nicht tiefer ins Bronchialsystem eindringen; die AUergene verursachen einen Hustenreiz, wodurch sie wieddr ausgestoßen werden. Für den Patienten allerdings heißt das: Bei jeder größeren physischen Anstrengung kann er in Atemnot geraten.

Zwei Faktoren sind für die Entwicklung dieser Krankheit ausschlaggebend: Die schon erwähnte Verengung des Durchmessers der Bronchien und weiters die Entzündung (Obstruktion) der Bronchialschleimhaut. Wenn beide Faktoren zusammenwirken, kommt es zu einem Bronchialmuskelkrampf (Bronchospasmus), der aber durch krampflösende Medikamente, sogenannte Bronchospas-molytika (meistens in Form von Dosieraerosols) innerhalb weniger Minuten gelöst werden kann. Man spricht in diesem Fall von einer „reversiblen Obstruktion".

Eindeutige Symptome

Die Symptome, die auf Asthma bronchiale schließen lassen, sind meist ein -deutig:

■ Wenn nach einem Infekt der Luftwege (zum Beispiel Grippe oder Bronchitis) ungewohnte Atemnot auftritt.

■ Ein nach einer körperlichen Anstrengung auftretender, bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht wahrgenommener Ätemnotanfall.

■ Auftreten von Atemnot zu bestimmten Jahreszeiten (im Frühjahr sind Blüten- und Gräserpollen dafür verantwortlich, im Herbst und Winter die feuchtkalte Luft) oder bei Kontakt mit Tieren (besonders Katzen und Hunde).

■ Wenn Atemnot häufig zwischen Mitternacht und Morgen auftritt (meistens zwischen zwei bis sechs Uhr in der Früh). Zu diesen genannten Gelegenheiten kann aber auch Husten statt Atemnot auftreten, die man als Asthmaäquivalent bezeichnet. Hustenstillende Tropfen sind in diesem Fall die falsche Medikation, hier können nur wirksame Asthmamedikamente helfen.

■ Wenn die Atmung, insbesondere die Ausatmung, geräuschvoll wird. Diese für Asthma bronchiale typischen Atemgeräusche nennt man „Giemen".

Treten eines oder eben mehrere dieser Symptome auf, so ist eine Lungenfunktionsprüfung (Spirogramm) auf jeden Fall anzuraten, raten sämtlihe Fachleute. Bei Asthma läßt sich-sehr oft der Krankheitsbeginn eruieren, zum Beispiel ein längerer Infekt der Atemwege. Die Krankheit läßt sich zwar in der Mehrheit der Fälle nicht heilen, aber durch eine auf den Patienten abgestimmte Medikation kann dieser ein beschwerdefreies und völlig normales Leben führen.

„Um eine wirkungsvolle Vorbeugung oder Behandlung durchzuführen, bedarf es kriminalistischen Spürsinnes", plaudert Primarius Hartmut Zwick von der Lungenabteilung des Krankenhauses Lainz in Wien aus der Schule.

Wenn die Luft ausgeht

Kinder haben eine gute Chance, Asthma im Laufe der Pubertät zu verlieren. Ebenso ist bekannt, daß Frauen nach ihrer ersten Schwangerschaft keine asthmatischen Beschwerden mehr haben. Aber die Hyperreakti-vität (Empfindlichkeit) der Bronchien auf kalte Luft oder Allergene kann erhalten bleiben und so ist es oft der Fall, daß Erwachsene nach vielen Jahren des Wohlbefindens wieder unter dieser Erkrankung leiden.

Asthma hat sich zu einer Krankheit entwickelt, die bereits fünf bis sechs Prozent der Bevölkerung Österreichs betreffen, das sind zirka 400.000 Menschen. Trotz verbesserter Therapien und Medikamente ist die Todesrate stabil geblieben: 70 Tote pro Jahr. Das Hauptproblem ist, daß viele Betroffene mit ihrem Leiden nicht umgehen können oder es nicht wahrhaben wollen. Sie empfinden es als Schande, in aller Öffentlichkeit einen Spray verwenden zu müssen, wenn ihnen die Luft ausgeht. Dabei ist das „Pumperl", wie es im Volksmund heißt, die wirksamste Soforthilfe.

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