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Stadtplanung nach Rainer

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Neben alten Stadtbildern, Luftphotos, komplizierten Graphiken von geringem Irtfomationswert und anderen Guckobjekten präsentierte die bis Ende Dezember im Rathaus gezeigte Ausstellung „Stadterneuerung in Wien” folgenden Stand der Problemsicht:

Das zentrale Stadtgebiet (grob gesprochen: die in der Gründerzeit bebauten Gebiete bis zur Donau) ist zu dicht bebaut, es fehlt an Folgeeinrichtungen (Schulen, Kindergärten, Gewerbehöfen, Ladenzentren), an Parkraum und an Grünflächen. Dies und die steigenden Ansprüche an den Wohnraum werden eine zunehmende Aussiedlung aus diesem Gebiet mit sich bringen. Im Westen ist nicht mehr viel zu machen, die neue Bebauung muß im Osten (jenseits der Donau) und im Süden (jenseits des Laaerberges) erfolgen. Die Gründerzeitbebauung muß schrittweise einer neuen und weniger dichten weichen.

Was im Osten und Süden (den Entwicklungsgebieten) geschehen könnte, demonstriert die Stadtplanung an vier „Stadtmodellen”, deren Gegenüberstellung recht unergiebig ist: Arbeitsstätten konzentriert oder gestreut, neue Wohnbebauung mehrgeschossig oder in Einfamilienhäusern (und vice versa). Immerhin ergeben die summarischen Flächenberechnungen, daß für alle Möglichkeiten — selbst für Einfamilienhäuser — genug Platz wäre.

In Wirklichkeit wird die Gründerzeitbebauung durch eine immer dichtere ersetzt, weil jeder Anreiz fehlt, jene wirtschaftlichen Kräfte auf ein Entwicklungsgebiet zu lenken, und das, obwohl praktisch alle Bautätigkeit auf öffentlichen oder halböffentlichen Geldern beruht. Dieser Anreiz ist es, den die Stadtplanung schuldig bleibt. Rainer, der dieselben Probleme formuliert hat, empfahl bekanntlich Nebencities, Bezirkszentren und vor allem die Entwicklung der Stadt nach dem Süden. Die Planung seither greift keinen dieser Gedanken entschieden auf, stellt ihnen aber auch keine anderen gegenüber.

Der Standpunkt, die Planung, habe nur die Daten beizustellen, zu’entscheiden hätten die Politiker, ist bequem, aber falsch. Wer keine Entscheidung treffen will, wird nicht einmal die Alternativen sehen können: Da die Entwicklungsgebiete der Stadt — Osten und Süden — un- unterschieden zusammengenommen werden, wird für die eigentlich zu entscheidende Frage — Osten oder Süden — nicht einmal das Material geboten. Ein solcher Stand der Planung gibt die Gewähr dafür, daß die Bürokratie unbehelligt bleibt und die zufällige und gestaltlose Bebauung aus geschmackvoll arrangierten Blöcken rund um die Stadt weiterwuchert. Eine solche Stadtplanung wird zwar keinen Bruch mit der Bürokratie befürchten müssen — sie wird es freilich auch nie zu Autorität bringen.

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