Das Wort zum Leben erwecken

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Seit 15 Jahren macht die Wiener Autorin, Schauspielerin und Regisseurin Helga David im Reichenauer Thalhof spannendes Sommertheater.

Helga David entdeckte die kulturelle Kraft des Thalhofs in Reichenau und macht seit 15 Jahren den historisch bedeutsamen Ort theatral produktiv.

Bereits Ende des 19. Jahrhunderts hatte eine initiative Frau den ehemaligen Gasthof künstlerisch erschlossen: Olga Waissnix. Die Wirtin des Thalhofs brachte - als Tochter des Besitzers des Südbahnhotels am Semmering - Erfahrung und Ideen mit nach Reichenau. Sie zog bedeutende Künstler an, Peter Altenberg kam regelmäßig hierher, ebenso der Burgschauspieler Adolf von Sonnenthal sowie Arthur Schnitzler, dessen Briefe von seiner besonderen Zuneigung zu Olga Waissnix und dem Gasthof berichten.

Hundert Jahre nach Waissnix’ Initiativen schließt David an und verwandelt den Ballsaal zur Bühne. Heuer wird unter dem Motto "Sehnsucht, Begehren und Sommerfrische“ 15 Jahre Schnitzler im Thalhof gefeiert.

Die Furche: Wie begann Ihre Arbeit hier?

Helga David: Ich machte damals eine Milchsemmel-Diät in Reichenau und entdeckte diesen historisch aufgeladenen Ort, wo Olga Waissnix und Arthur Schnitzler eine Liaison verband. Auf der Basis von deren Briefwechsel gestaltete ich vor 15 Jahren die erste Produktion am Thalhof. Anfangs waren natürlich wenig Zuschauer hier, aber dann hat sich das Besondere der Verbindung zwischen Inhalt und Ort herumgesprochen und wir hatten schon bald viel Zuspruch. Der Thalhof ist ja ein Originalschauplatz und voll guter Geister aus der Vergangenheit. Das Gästebuch ist gespickt mit berühmten Namen aus Kunst, Kultur und Politik. Leopold Figl etwa war hier. Als einmal Landeshauptmann Erwin Pröll zu uns ins Theater kam, und wir ihn baten, sich ins Gästebuch einzutragen, erlebten wir eine Überraschung. Pröll nahm seinen grünen Stift heraus, schlug das Buch auf und blickte genau auf jene Seite, die Figls Eintragung zeigte. Sie war in grüner Tinte verfasst. Pröll sah mich erstaunt an und meinte: "Sehen Sie nur, ich schreibe auch mit grünem Stift, in meiner Verehrung für Leopold Figl.“

Die Furche: Was ist das Besondere des Thalhofs für Theaterschaffende heute?

David: Im Niederösterreichischen Theaterfest werden viele Produktionen an ungewöhnlichen Orten angeboten. Das macht einen aufregenden Theatersommer, weil Freilichtveranstaltungen, große Spektakel und Events stattfinden. Hier am Thalhof lassen sich die feinen Töne entwickeln, das ist wichtig für die differenzierten Beziehungsgeflechte, vor allem bei Schnitzler. Seine Texte zeigen nicht nur den grandiosen Analytiker, sondern auch den Menschen, der ein tiefes Mitgefühl für seine Figuren hat. Selbst Leutnant Gustl, den er nicht gerade positiv zeichnet, verdient in Momenten Mitgefühl.

Die Furche: Und wie sieht es bei seinen Frauenfiguren aus?

David: Schnitzler ist zumeist auf deren Seite, er prägte das Bild der modernen Frau entscheidend mit. Bei "Komtesse Mizzi“, unserer heurigen Produktion, zeigt er die Titelfigur als starke Frau. Sie hat ein uneheliches Kind, das sie mit großem Aufwand verheimlicht.

Die Furche: Sie gestalten ein vielfältiges Programm, heuer auch mit Texten von Thomas Bernhard. Nach welchen Kriterien wählen Sie die Stücke beziehungsweise Texte aus?

David: Thomas Bernhard ist wie Schnitzler ein bedeutender Analytiker und Aufdecker, nur ist er weitaus rigoroser. Und er hat weniger Mitgefühl. Bernhard geht distanzierter mit seinen Figuren um, er ist eher beobachtend. Auch bei ihm spielen Orte eine zentrale Rolle. In "Am Ziel“ etwa geht es um ein Haus, das zerfällt, das voller Spinnweben ist. Bernhard spricht darin von der Eisenschmelze, die hier in der Nähe, in Aue, ihren Betrieb hatte. Das ist ein Merkmal unseres Theaters, dass reale und fiktive Orte auf spezifische Weise zusammenfinden.

Die Furche: Was waren die schönsten Momente für Sie in den letzten 15 Jahren?

David: Wenn das geschriebene Wort durch gute Schauspieler lebendig wird. Das berührt mich und sind die schönsten Momente. Diese passieren oft auf der Probe. Heuer etwa, als Lisa Wildmann als Komtesse Mizzi einen Gefühlsausbruch spielt und es stimmt im ersten Moment, dann ist es sehr beglückend. Da merkt man, dass sich die Emotionen im Wesentlichen nicht geändert haben.

Die Furche: Was hat sich als am Schwierigsten für Sie erwiesen?

David: Leider ist es finanziell immer schwieriger für uns. Wir bekommen dieselben Subventionen wie in den letzten Jahren, doch seit der Verpflichtung zur Sozialversicherung sind die Einnahmen für die Schauspieler deutlich geringer. Wir sind alle froh, dass die Künstler versichert sind, aber sie müssen ja auch leben und so wie es sich derzeit gestaltet, bleibt da einfach zu wenig übrig. Auch wenn wir bestens ausgelastet sind, reicht es kaum. Diese ökonomischen Zwänge wirken sich auch auf die Spielplangestaltung aus. Ich kann nicht mehr als sechs Darsteller beschäftigen, dementsprechend suche ich die Stücke aus.

Die Furche: Was ist neu und besonders zum 15-Jahr-Fest?

David: Wir sind mutig und spielen "Die Mutzenbacher“ von Felix Salten. Der Text ist gut geschrieben, keine Redundanzen, sondern eine klare Sprache. Wer weiß, ob nicht Schnitzler für seinen "Reigen“ von der Mutzenbacherin angeregt wurde?

Die Furche: Was wünschen Sie sich für die nächsten Jahre?

David: Seit heuer hat der Thalhof neue Besitzer, ein junges österreichisches Paar kaufte das Haus und möchte das Theater weiterführen. Das hat uns sehr gefreut. Die beiden werden den Thalhof behutsam renovieren und das Flair des Hauses berücksichtigen. Das wird allen zugutekommen und damit hat sich bereits ein Wunsch erfüllt.

Sehnsucht, Begehren und Sommerfrische

15 Jahre Schnitzler im Thalhof bis 25. August

www.schnitzlerimthalhof.at

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