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Eine Ausstellung erinnert an 25 Jahre "Monsignore Otto Mauer-Preis".

Es ist ein mittlerweile alter Traum der klassischen Moderne, die Leere oder gar das Nichts zur Darstellung zu bringen. Damit waren beide Begriffe als künstlerische Wunschvorstellungen geradezu positiv besetzt. Schon Kasimir Malewitsch trat als za-um'-Maler, als Produzent einer transrationalen Malerei auf, die Raum und Zeit überwinden und in seinem Suprematismus in eine neue Dimension des Weltbewohnens vorstoßen wollte. Alberto Giacomettis Figur, die einen unsichtbaren Gegenstand hält, ist als menschlicher Körper ausgeführt, worum es aber eigentlich geht, ist genau das, was man nicht sieht. Marcel Duchamp, ein Vertreter der westlichen Spielart von za-um' als dada, zeigt einen Glasbehälter mit gähnender Leere gefüllt, von der er behauptet, es sei Pariser Luft.

Schwerkraft überwinden

Yves Klein möchte einmal mehr die Schwerkraft überwinden, sich in einen immateriellen Zustand hieven und stellt die Leere in Form der entleerten Galerie Clert aus. Antony Gormlys Kuben sparen menschliche Extremitäten als Leere aus und füllen den diese normal umgebenden transparenten Luftraum mit schwerem Metall. Die Liste ließe sich noch erheblich verlängern, die Leere des Papiers mit Geduldsproben füllen. Als ein aktuelles Projekt besinnt sich die Ausstellung, die momentan in der Zacherlfabrik aus Anlass von 25 Jahren Monsignore Otto Mauer Preis zu sehen ist, zumindest in ihrem Titel "Ins Leere" dieser Tradition.

Alle oben genannten Versuche aus der Geschichte der Kunst des 20. Jahrhunderts haben aber vor allem eines gezeigt, dass in der Beschäftigung mit der Leere der Rahmen das Wichtigste ist. Am augenscheinlichsten vorstellbar in Kleins Zurschaustellung der Leere in der Galerie Clert. Denn ohne den Galerieraum hätten die Besucher die Leere nie wahrnehmen und damit für wahrhaftig halten können. Diesen Umstand machen sich auch die zwei Künstlerinnen und die zwei Künstler des Jubiläumprojektes, alle vier Preisträger, zunutze, indem sie mit ihren künstlerischen Mitteln auf den vorgegebenen Rahmen, eine Fabrik aus dem 19. Jahrhundert, reagieren. Seit vielen Jahren stand der Raum leer und gerade die Nichtbenützung hat ihre Spuren hinterlassen. In die Leere, für die dieser starke Raum den Rahmen abgibt, haben die vier mit Behutsamkeit und treffsicher ihre Arbeiten platziert und damit eine kongeniale Situation erzeugt.

Zur Überwindung des Niveauunterschiedes zwischen Eingangsbereich und eigentlichem Ausstellungsraum stellte Esther Stocker vier schwarze Quader auf, die auf der Vorder-und Rückseite geöffnet sind, sodass man durch sie wie durch lang gestreckte Eingangstüren eintritt. In unterschiedlicher Neigung überbrücken sie die Riesenstufe, verdichten den großen Mauerdurchbruch, in dem sie stehen, zu engen Geburtskanälen, die man eigentlich nur einzeln durchschreiten kann. Im Raum selbst nimmt dann Michael Kienzer die gusseiserne Grundkonstruktion auf, die in der Gestaltung ihrer aufrechten Streben klassischen Säulen nachempfunden ist. Kienzer "verstärkt" die Statik dieser Konstruktion, indem er Aluminiumstangen in leichter Schräglage zwischen die Eisensäulen einhängt, die bloß mit Gummibändern verknotet sind und daher bei Berührung leicht zu schwingen beginnen. Diese Fortführung des ursprünglichen Raumes von der Eisen-in die Aluminiumzeit und vom fix und unumstößlich verankerten Grundgerüst zur bewegten, dafür aber Erdbeben überdauernden Schwankstruktur erzeugt einen spielbodenartigen Wanderraum.

Globus wird zu Sonne

Beinahe über die gesamte Mauerfläche über dem Eingang schuf Tobias Pils eine zweipolige Großgrafik. Zwischen einem Kreis auf der rechten Seite und einer aufgebrochenen, ausrinnenden Kreisform auf der linken Seite, beide in einer schwärzlichen Farbe ausgeführt, macht sich gähnende Leere als makelloses Weiß breit. Im hinteren Bereich, unter der noch bestehenden Teildecke, schwebt eine Leuchtschriftskulptur von Brigitte Kowanz. Der orange leuchtende Ball, in seiner Oberflächenstruktur an den Globus erinnernd, wird im ausgeführten Schriftzug von "spatium-Raum" zur glühenden Sonne. Im gleißenden Schriftzug geht einem ein Licht auf: wir sind alle gelehrige Schüler der Leere.

Ins Leere

Michael Kienzer, Brigitte Kowanz,

Tobias Pils, Esther Stocker

Zacherlfabrik

Nußwaldgasse 19, 1190 Wien

Bis 30. 9. Mi-Sa 15-19 Uhr

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