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Bayern zwischen Revolution und Reaktion

19451960198020002020

Bayern und das Reich 1918 bis 1923. Von Werner Gabriel Zimmermann. Richard-Pflaum-Verlag, München. 202 Seiten

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Bayern und das Reich 1918 bis 1923. Von Werner Gabriel Zimmermann. Richard-Pflaum-Verlag, München. 202 Seiten

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Seit Bismarcks Konzessionen im Jahre 1871 bezüglich des Verhältnisses der bayrischen Monarchie zu dem neu zu bildenden deutschen Reich gab es eine Fülle von Konflikten zwischen der Zentralgewalt Berlins und der zäh verteidigten Eigenstaatlichkeit des wittelsbachischen Königsreiches. Wilhelm II. ließ es an Taktlosigkeiten nie fehlen, aber Bayern behauptete bis in die Reservatrechte des eigenen Generalstabs und der Briefmarke bis 1918 sein Recht als Bundesstaat, nicht zuletzt dadurch manifestiert, daß auch außenpolitisch das Königreich der Wittelsbacher teilweise selbständig auftrat. Um so interessanter erscheint uns, die Untersuchung eines Schweizer Verfassungshistorikers, die Geschichte Bayerns zwischen Revolution und Reaktion in den Jahren 1918 und 1923 auf Grund bisher unbekannten Aktenmateriäls zu erläutern.

Dr. Zimmermann standen weitgehend die bayrischen Behörden zur Verfügung und so konnte eine wirklich einmalige Detailuntersuchung zur jüngsten Geschichte erstellt werden. Der Ausgangspunkt mußte naturgemäß die Novemberrevolution 1918 sein. Hier zeigt sich bereits, wie schwach die eigentlichen revolutionären Kräfte der Linken in Bayern gewesen waren und wie stark der bayrische Sonderstaatsgedanke in Erscheinung trat, als die Neuordnung des Verfassungslebens der jungen deutschen Republik Probleme aufwarf, die letzten Endes in der schon zitierten Sonderstellung Bayerns seit 1871 wurzelten. Die unbestrittene Autorität der Kirche, die traditionelle Verbundenheit Bayerns mit der vorschnell gestürzten Herrscherfamilie, mußte zu jenem

Konflikt Bayerns mit dem Reich führen, der 1920 bis 1922 sich immer mehr und mehr zum Gegensatz München—Berlin herauskristallisierte. Wie deutlich tritt nach diesen Untersuchungen nunmehr zutage, daß die scheinbare Errichtung eines bayrischen Ordnungsstaates im Gegensatz zu Berlin gerade den Kräften des werdenden Nationalsozialismus die Schutzwehr bot, ohne daß dies ursprünglich beabsichtigt gewesen wäre. Die sogenannte „nationale Bewegung" und das bayrische Unabhängigkeitsstreben trafen sich in ihrer Ablehnung Berlins, Aber welche engen Kontakte bestanden geistesgeschlchtlich und realpolitisch zwischen den Unifizierungsbestrebungen etwa Seeckts, der im Höhepunkt des Konflikts im Jahre 1923 sich nicht scheute, den bayrischen Teil seines Heeres in schwersten Gewissenskonflikt zu treiben. Hitler konnte ähnlich wie Eisner im November 1918 aus dieser Situation füx sich in den verwirrenden Novembertagen 1923 seinen Nutzen ziehen. Der stärkste Vertreter des Zentralismus hat damals unter geschickter Ausnützung der konservativen Grundströmungen Bayern an den Abgrund des Vertrauens gegenüber den föderalistisch gesinnten Kreisen des Reiches gebracht. Es ist ein Verdienst des Verfassers, die ganze Problematik dieser Jahre gründlich durchleuchtet zu haben und somit ist das Buch Zimmermanns ein außerordentlich wertvoller Beitrag zur deutschen Nachkriegsgeschichte, aber auch zum Verständnis der bayrischen Landespolitik seit 1945.

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