Werbung
Werbung
Werbung

Die Buchmesse, wo sich nicht nur die Branche trifft. Eindrücke von Brigitte Schwens-Harrant/Leipzig

Zwei Vorteile hätte die Buchmesse in Frankfurt: sie wäre erstens leichter erreichbar, denn man kann direkt von der S-Bahn in das Messegelände und muss sich nicht - wie in Leipzig - eine halbe Stunde lang stehend in der Straßenbahn drücken lassen. Und zweitens wären dort nicht so viele Kinder unterwegs. Das höre ich im Pressezentrum in Leipzig - doch zum Glück gibt es noch keine Buchmesse nur für Journalistinnen, die sich von Gästen einer Buchmesse (wobei?) gestört fühlen.

Was die Leipziger Buchmesse besonders macht, sind gerade die vielen Kinder und Jugendlichen. Zugegeben, donnerstags und freitags werden hier wohl auch viele Schulklassen gegen ihren Willen durchgeschleust, und zugegeben, samstags und sonntags sind die Hallen schon ziemlich voll und das Vorwärtskommen wird mühsam. Aber dass und wie viele Kinder und Jugendliche freiwillig und teils aufwändig kostümiert schon eine halbe Stunde vor Öffnung ungeduldig vor den Toren stehen, das ist faszinierend.

Hier trifft sich eben nicht nur die Branche, bestehend aus Verlegern, Literaturagenten, Händlern, Auslieferern etc., hierher werden die Leser eingeladen, und die Messe wird zum Bildungsort - für Lehrer, Kindergärtner, Eltern, Kinder und Jugendliche. Über 350 Veranstaltungen für junge Leser bietet Leipzig, 160 Bildungsveranstaltungen für Erzieher. In Workshops wird in die Geheimnisse des Buchdrucks ebenso eingeführt wie in Fortbildungsseminaren die Bedeutung des Ohrenspitzens, des Zuhörens eingeübt.

Wer Bücher mag, findet hier auf jeden Fall etwas. Die "Manga-Kids" strömen zu den Comics. Die Bibliophilen können im Antiquariatstrakt verloren gehen oder aber in der Ausstellung der schönsten Bücher aus aller Welt, die man nicht nur anschauen, sondern auch angreifen darf. An anderen Kulturen Interessierte nützen die Gelegenheit, kroatische Schriftstellerinnen und Schriftsteller zu hören wie Slavenka Drakuli´c, deren Bücher vor allem dank österreichischer Verlage (wie Wieser, Drava, Otto Müller, Zsolnay, Seifert, Praesens, Edition Korrespondenzen, Kitab) auch auf Deutsch erhältlich sind. Oder man lässt sich im engen Türkei-Zelt einstimmen in den Schwerpunkt der Frankfurter Buchmesse im Herbst 2008. Natürlich dröhnt auch in Leipzig der Betrieb, auch hier punkten Provokation und Stars, aber man kann gut ausweichen. Manche Bühnen sind zwar laut, aber leise Ecken gibt es auch, die Bestseller sind auffälliger aufgetürmt, aber die kleinen Editionen locken mit schöneren Büchern.

Nachmittags sitzen die ersten Leser erschöpft auf den Treppen: Vampire, denen die Schminke zerfließt und vor Müdigkeit die Augen zufallen. Doch auch abends strömen Literaturhungrige durch die Straßen, unterwegs zu einer der unzähligen Lesungen. "Während der Leipziger Buchmesse geht es nicht nur auf dem Messegelände ums Buch", erzählt begeistert ein Leipziger, "dann kommt es auch in der Metzgerei bei Thüringer Bratwurst zu einer Literaturdiskussion."

"Die sind schon sonderbar, aber wenn sie meinen", sagt eine skeptische Buchhändlerin zu einer anderen, als ein grasgrüngesichtiger Jugendlicher mit goldenem Stern in der Hand sich in die Straßenbahn zwängt. Der Stern passt gerade noch hinein, bevor die Tür zugeht. In Leipzig wird nicht nur deutlich, wie viele Leser es gibt, sondern auch wie unterschiedlich deren Lektüren sind. Das Schöne an der Leipziger Buchmesse ist, dass hier so viele Leser und Lektüren Platz finden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung