Popup Buchmesse Leipzig - © Brigitte Schwens-Harrant

Leipziger Buchmesse: Auf dem Marktplatz der Literatur

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Kurzfristig wurde die Leipziger Buchmesse abgesagt, ebenso kurzfristig poppte ein gelungener Ersatz auf. Lebenszeichen aus der Branche.

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Kurzfristig wurde die Leipziger Buchmesse abgesagt, ebenso kurzfristig poppte ein gelungener Ersatz auf. Lebenszeichen aus der Branche.

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Noch am 7. Februar wurde per Presseaussendung mitgeteilt, dass Portugal im Rahmen der diesjährigen Leipziger Buchmesse seine Literatur präsentieren werde. Zwei Tage später erschütterte die Nachricht die Branche, dass diese Buchmesse auch heuer nicht stattfinden werde. Tags darauf begann schon das mediale Gespräch darüber, ob überhaupt weiterleben könne, was nun bereits drei Mal hintereinander abgesagt worden war.

Wer aber in den vergangenen Jahren Leipzig während der Buchmesse erlebt hatte, mochte nicht so recht an das Ende dieser Veranstaltung glauben: wie da die Jugendlichen verkleidet durch die Straßen ziehen, es nahezu kaum einen Ort gibt, aus dem nicht die Literatur ruft, und die Menschen eben nicht nur durch den gläsernen Messepalast strömen, sondern auch durch die Straßen, auf der Suche nach Worten. Literatur konnte man hier immer sehr lebendig erleben.

Abgesagt wurde nicht aufgrund von pandemiebedingten Bestimmungen, die eine solche Messe verhindert hätten, sondern weil große Verlagskonzerne ihre Teilnahme plötzlich storniert hatten. Karl-Markus Gauß, der am 16. März in der Nikolaikirche mit dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung ausgezeichnet wurde, griff in seiner Dankesrede diesen Umstand auf. Dass „ausgerechnet die mächtigsten Verlagskonzerne ihre Teilnahme stornierten“, erscheine ihm „als Verrat, als Verrat an der Literatur selbst und an den vielen, die ihr aus Berufung und von Berufs wegen ihre Zeit, ihre Talente, Liebe und Leidenschaft widmen, auf welche Weise und auf welchem Posten immer“.

Die drei Herren der drei Konzerne, so Gauß weiter, „haben im unschönen Gleichlaut ihrer Worte begründet, warum sie die lange vorbereitete Buchmesse kurzfristig boykottieren mussten, sie argumentierten alle auf dieselbe Weise und machten, als hätten sie lange gemeinsam trainiert, dabei die exakt gleiche Bittermiene. Und je länger ich ihnen zuhörte und zusah, umso deutlicher trat mir vor Augen, sie bei einer Art von Betriebssport zu beobachten, dem Betriebssport von Vorstandsvorsitzenden und Konzerngewaltigen, nämlich dem Synchronjammern. Was es ihnen zu bejammern galt? In Wahrheit jammerten sie über die Last, die nicht auf den Kleinen, sondern nur auf ihnen, den Reichen und Mächtigen, lastet, und sie greinten über das Unglück, dass ihre Leidenschaft nicht mehr den Büchern gelten könne, sondern der Buchhaltung gelten müsse. Kurz, beifallsheischend wollten uns die Giganten mitteilen, dass sie lieber Schöngeister geblieben wären, und dass sie es also verdienten, von der ganzen Branche, der sie den Stempel aufdrücken wollen, nicht kritisiert, sondern bedauert zu werden.“

Während große Konzerne also synchronjammerten, nachdem sie
die Buchmesse des Jahres 2022 versenkt hatten, wurden andere
Verleger – nach dem ersten Schock – rasch tätig. Portugal war bereits im vergangenen Jahr um seinen Gastlandauftritt gefallen und teilte mit, das Leseprogramm werde heuer jedenfalls stattfinden – und so sollte man dann nicht nur in so mancher Straßenbahn portugiesisch hören. Auch „Common Ground. Literatur aus Südosteuropa“ präsentierte in einem abgewandelten Programm Literatur. Und: Leif Greinus vom Verlag Voland & Quist und Gunnar Cynybulk vom Kanon Verlag initiierten innerhalb kürzester Zeit einen Buchmessen-Ersatz.

60 Verlage versammelten sich ab 18. März im Kulturzentrum Werk 2, die aus dem Nichts geschaffene „buchmesse_popup“ war im Nu ausgebucht: von den Verlagen ebenso wie von den Besucherinnen und Besuchern, die für Zwei-Stunden-Slots eingelassen wurden. Schon vor Beginn der Verkaufsmesse zeugte die Schlange der Wartenden das enorme Interesse jener, die sich dann um lange Tafeln mit Büchern versammelten. Bei dieser rasch und einfach errichteten Buchmesse zeigte sich, wie eine solche wohl einst entstand: viele Tische, darauf viele Bücher – und hinter und vor den Tischen viele enthusiastische Büchermenschen.

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