Bachmannpreis 2021 - © Foto: ORF/LST Kärnten/Johannes Puch

Bachmannwettbewerb: Identitäten? Identitäten!

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Die 45. Tage der deutschsprachigen Literatur standen im Zeichen des Umbruchs – auch in Hinblick auf die Rolle der Literaturkritik.

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Die 45. Tage der deutschsprachigen Literatur standen im Zeichen des Umbruchs – auch in Hinblick auf die Rolle der Literaturkritik.

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Es war ein kleiner Schritt zurück zur Normalität bei den 45. Tagen der deutschsprachigen Literatur. Zwar ohne Publikum und mit voraufgezeichneten Lesungen der ebenfalls nicht anwesenden 14 Autorinnen und Autoren, aber immerhin mit versammelter Jurorenschaft im Klagenfurter Studio. Dort gab es zwei Wechsel zu verzeichnen, die schon im Vorfeld für Spannung sorgten: Hubert Winkels und Nora Gomringer machten Platz für Mara Delius, Leiterin der Literarischen Welt, und die Schriftstellerin Vea Kaiser. Weiblich wie noch nie, wurden die Eröffnungsrednerinnen nicht müde zu betonen, sei die diesjährige Bachmannpreis-Veranstaltung, und tatsächlich waren Frauen sowohl bei den Eingeladenen als auch in der Jury in der Mehrheit.

Akademisch geprägte Rede

Winkels, der seit zehn Jahren dabei war und nun nach fünf Jahren das Zepter des Juryvorsitzes an Insa Wilke übergab, wurde die Ehre zuteil, die diesjährige Klagenfurter Rede zur Literatur halten zu dürfen. Er nützte die Gelegenheit und münzte sie in eine Rede zur Literaturkritik um, die sich als programmatisch für die Jurydiskussionen der folgenden Tage erweisen sollte. Winkels sprach sich in seiner stark akademisch geprägten Rede gegen einen „höchstrichterlichen Kritikergestus“ aus, gegen die Politisierung des Feuilletons und die Funktionalisierung von Kritik im Dienste des Publikums statt der Literatur, aber für die Möglichkeit, in der Vielstimmigkeit der Diskussion kein eindeutiges Urteil fällen zu müssen.

Es bleibt Spekulation, ob sein Hinweis darauf, dass das „Literarische Quartett“ (das er nicht namentlich nannte, aber unmissverständlich beschrieb) unter Thea Dorn programmatisch auf Literaturkritiker verzichtet, als Seitenhieb auf die neue Jurorin Vea Kaiser gedacht war, die dort schon zweimal zu Gast war und eben keine professionelle Literaturkritikerin ist. Das war Nora Gomringer allerdings auch nicht, und in erster Linie sollte es um die Fähigkeit gehen, das Potenzial von Texten zu erfassen, und nicht um (oft selbstgewählte) Berufsbezeichnungen.

Allerdings tat sich gerade hier ab dem ersten Lesetag tatsächlich ein Konfliktherd auf, der immer wieder aufloderte und sich zu einer Auseinandersetzung zwischen Vea Kaiser und Philipp Tingler zuspitzte, der erklärte, dass die Aufgabe der Jury in der diskursiven Textkritik bestehe und nicht in der Wiedergabe einer emotionalen Leseerfahrung. Kaiser entschuldigte sich daraufhin sarkastisch für ihre banale Freude am Text des von ihr eingeladenen Autors Leander Steinkopf.

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