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Der letzte Baehmannpreis der Geschichte

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Aus und vorbei! Gemunkelt hat man ja schon seit Jahren, nun ist es aber so etwas wie ein offenes Geheimnis: Der Internationale Ingeborg-Bachmannpreis hat heuer allen Gesundbetern zum Trotz das letzte Mal stattgefunden, der Literaturschachtelsupermarkt, der einst sogar israelischen Germanistikstudenten an den TV-Geräten in Tel Aviv so wichtige Impulse zu geben vermochte, ist an sein historisches Ende gekommen und wird nun, wie die Verantwortlichen hinter noch vorgehaltener Hand zugeben, nach 18 Jahren eingestellt. Klagenfurt wird mit sofortiger Wirkung in seine frühere Bedeutungslosigkeit zurückfallen. Sagt angeblich Kulturstadtrat Siegbert Metelko: Einsparungen am kulturellen Sektor sind allerorts ein Gebot der Zeit.

Davon abgesehen ist der Inge-borg-Bachmannpres mit den

Jahren immer unwichtiger und langweiliger geworden; ihm, Me-telko war so langweilig, daß er immer erst bei der Preisverleihung mit einem Blumenstrauß hereingeschneit ist. Achtzehn Jahre lang erst gar nicht so zu tun, als brächte man Interesse für Literatur auf, ist außerdem genug. Außerdem haben wir es satt, uns ständig von Antonio Fian und Werner Kofier parodieren zu lassen. Jetzt werden wird den Totsagern " beim Totsagen zuvorkommen.

Todtraurig nahm demnach Reto Hänny als letzter Bachmannpreisträger der Literaturgeschichte seine 200.000 Schilling und den Metelkoschen Blumenplunder in Empfang (was Reto Hänny mit einem Blumenstrauß soll, bleibt eine unbeantwortete Frage), todtraurig empfing Raoul Schrott 100.000 Schilling, Stefanie Menzinger 80.000, Ruth Schweikert 7000 D-Mark und Doron Rabinovici 6000 D-Mark, eventuell könnten sich Josef Haslinger bei Volker Hage, Kathrin Rögla bei Thomas Rothschild und Georg Ringswandl bei Frieda Stank zum Selbstkostenpreis ein-gehauen haben, falls das jemanden interessiert.

Todtraurig und tieferschüttert in erster Linie natürlich Hans Peter Maya, der langjährige Requisiteur: „Für mich bricht eine Welt zusammen. Beinahe ein Dutzend Bühnenbilder habe ich festaltet, eines metaphorischer als as andere, und jetzt soll alles umsonst gewesen sein?" Hart ist das Los des Künstlers. Zum Abschied wollten die Beteiligten freilich keine neuen Akzente mehr setzen, sondern begnügten sich mit einer lückenlosen Wiederholung der müdesten Momente aus den Jahren 1977 bis 1993.

Zum 18. Mal hintereinander eine Jury, die außer ihrer eigenen Kalauern alle Kalauer zutiefst verabscheut, zum 18. Mal hintereinander hält sie es raffinierterweise für den Gipfel philologischer Epistemologie, hinter jedes deutsche Wort das Wort „Prosa" zu hängen, zum 18. Mal hintereinander haben nicht alle Juroren die Abstimmungsmodalitäten so ganz genau kapiert und bringen es nicht zusammen, den Namen des Autor auf den Wahlzettel zu schreiben, für den sie votieren wollen, alles wie gehabt. Zum 18. Mal hintereinander die zweiund-zwanzigfache Verwandlung von Franz Kafka (in mehr oder weniger ungeheure Ungeziefer), zum 18. Mal hintereinander die unselige Debatte, ob man den Ausschnitt eines Romans lesen kann oder ob man doch besser ein kompaktes 30-Minuten-Kleinod in die Literaturgeschichte hineinstopfen soll, da darf man sich wirklich nicht wundern, daß bei 18. Mal keiner mehr zuhört.

Reim 18. Anlauf hat die ebenso hilflos wie unverzweifelt sachgezwungen zwischen ihren kuriosen Krampfkriterien herumkrebsende Jury immerhin doch noch knapp vor dem Einsetzen der Altersschwäche selbst erkannt, wie überflüssig sie ist. Der Mythos, daß man Texten dient, indem man sie a Posteriori betheoreti-siert und mit pseudogermanistischem Kram besudelt, bricht unspektakulär in sich zusammen. Wer hat denn jemals eine bedeutende Dichtung geschrieben, um sie dann von Angesicht zu Angesicht von einem Literaturlehrer einordnen oder um sich von einem Kulturredakteur des „Spiegel" gute Tips geben zu lassen? Noch nie hat ein Kritiker sagen können, wozu seine Kritik gut sein soll, jedenfalls hat Literaturkritik noch selten Literatur gebessert. Im Gegenteil. Umso mehr ist dieser Jury zu danken, daß sie nun freiwillig und bedingungslos zurücktritt.

Und auch der würdeloseste Literaturlaborant hat nach dem 18. Mal keine richtige Lust mehr, um 9 Uhr morgens bloß dem 3sat-Diktat zuliebe beinhart aus der Seele herausgeschwitzte Prosa vorzubeten, um sich um 9.30 devot sagen zu lassen, „wie das Uwe Johnson geschrieben hätte", und um dann spätestens um 10.30 wieder von Strom des Vergessens fortgerissen zu werden. Aber wie gesagt: Die Bachmannpreisentsorgung ist praktisch beschlossene Sache, die bereits in einigen Wochen anläßlich einer Pressekonferenz bekanntgegeben werden soll. (Das bislang integrale Fußballspiel DichtenRichter ist schon heuer von höchster Seite gestrichen worden - ein überdeutliches Verfallssignal!) Gaudeamus igi-tur.

Eine endgültige Einstellung des Rachmannpreises scheiterte bereits seit Jahren an dem Margina-lium, daß niemandem ein auch der breiten Öffentlichkeit wirklichen eindringlicher Grund für das Ende eingefallen ist. Aber das soll jetzt ab dem 18. Mal anders werden: Die Stadt Klagenfurt schreibt einen Ideenwettbewerb aus, wie man den Bachmannpreis am elegantesten wieder los wird. Die beste Idee wird mit 200.000,- in einer öffentlichen Veranstaltung prämiert. Richten Sie Ihre Bach-mannpreisbeendigungsideen unter dem Kennwort „Bachmann ade" bitte an: Kulturstadtrat Dr. Siegbert Metelko, Zaungast, Kla-genfurter Kulturamt. Theaterplatz 3, 9020 Klagenfurt.

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