Text in der Welt - © Foto: iStock/Nastco (Bildbearbeitung: Rainer Messerklinger)

Text in der Welt: die Kriterien der Literaturkritik

19451960198020002020

Literatur soll man nach ihrer Ästhetik bewerten, heißt es. Doch den Text allein gab es nie und gibt es nicht. Entsprechend divers sind die Maßstäbe und Kriterien der Literaturkritik.

19451960198020002020

Literatur soll man nach ihrer Ästhetik bewerten, heißt es. Doch den Text allein gab es nie und gibt es nicht. Entsprechend divers sind die Maßstäbe und Kriterien der Literaturkritik.

Werbung
Werbung
Werbung

Eine Jurysitzung, eine Shortlist und zwei Whistleblowerinnen, die Vorgänge aus dieser Jurysitzung öffentlich machen – und fertig ist der Skandal. Mitte Mai erschien im Feuilleton der Zeit ein Beitrag von Juliane Liebert und Ronya Othmann, die darin der Jury für den Internationalen Literaturpreis vom Berliner Haus der Kulturen der Welt 2023 eine rein identitätspolitisch motivierte Entscheidung vorwarfen. Weiße Autoren und Autorinnen wären benachteiligt worden, es wäre nicht nach ästhetischen Kriterien geurteilt worden.

Seither diskutiert das deutsche Feuilleton einerseits die Frage, was mit dem Vertrauen zwischen Jurorinnen und Juroren passiert, wenn interne Gespräche und Abwägungen anschließend öffentlich gemacht werden, aber vor allem den Vorwurf selbst: Wurde die Shortlist aus identitätspolitischen statt aus ästhetischen Gründen erstellt?

In vielen Kommentaren und Interviews, die dieser Anklage folgten, war die Rede davon, dass Literaturjurys vor allem die Aufgabe hätten, nach ästhetischen Kriterien zu werten. Schließlich ginge es um die Literatur, um die Qualität des Textes, nicht um die Herkunft von Autorinnen und Autoren.

Was Literaturkritik tut

Der Ruf nach ausschließlich der Ästhetik von Werken zugewandten Betrachtungsweise von Literatur lädt ein, wieder einmal grundsätzlich über das nachzudenken, was Literaturkritik ist oder sein könnte, was sie tut und mit welchen Kriterien.

Als vehemente Verteidigerin eines genauen Blicks in die Texte statt eines bloß oberflächlichen Gesprächs über erahnte oder gewünschte Themen bin ich selbstverständlich von „Ästhetik“ als Kriterium der Literaturkritik überzeugt. Ja, es geht doch um das Werk selbst, bei Literatur also um den Text, um die Form, die Machart, die Sprache, eben um die Ästhetik – wobei sich beim Nachdenken darüber durchaus weitere Fragen auftun, die die Sache nicht leichter machen – doch zu diesen später.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung