Interessant fürs Internet, vom Fernsehen dirigiert

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Brigitte Schwens-Harrant war bei den 32. "Tagen der deutschsprachigen Literatur" in Klagenfurt und konstatiert: Weniger Literatur, weniger Publikum, mehr Entertainment.

Literatur und Fernsehen können sich einfach nicht verstehen." Das meint jedenfalls Jochen Hörisch in einem jüngst erschienenen Band über Literatur und Fernsehen. Dieter Moor, der neue Moderator, blies bei der Eröffnung der "Tage der deutschsprachigen Literatur" in ein ähnliches Horn. Was alljährlich in Klagenfurt vor laufender Kamera stattfinde, ginge eigentlich gar nicht.

Die "Tage der deutschsprachigen Literatur" beweisen seit vielen Jahren das Gegenteil: Letztes Jahr noch lasen 18 Kandidatinnen und Kandidaten je eine halbe Stunde lang, um danach ebenso lang von den Juroren zerlegt zu werden. Gelesenes und Gesprochenes im Halbstundentakt, drei Tage lang. Spannend war es allemal. Fernsehen war es auch. Und mehr Gespräch als heuer.

Dieses Jahr war anders. Manches davon konnte man auch zuhause an den Fernsehern merken. Die auffälligste Veränderung: der neue Moderator. Mit Dieter Moor soll wohl mehr Entertainment einziehen. Dass bei der Eröffnungsveranstaltung der neue Moderator viel Zeit und Gelegenheit zum Begrüßen und Reden hatte, der Juryvorsitzende Burkhard Spinnen dafür dann aber gar keine mehr: Das war irgendwie ein programmatischer Beginn.

Die Anzahl der Kandidaten ist spürbar geschrumpft, statt 18 lasen heuer nur 14, und statt drei Tagen waren es nur mehr zwei. Mehr noch: An diesen zwei Tagen stand den Kandidaten keine ganze Stunde mehr zur Verfügung. Nachmittags wurden in zweieinhalb Stunden drei Autoren durchgeschleust, und wenn die Diskussion um 17.30 Uhr noch nicht beendet war, drehte 3sat einfach Bild und Ton ab.

Das Ergebnis war spürbar: wenig Gespräche über die Texte. Das hat allerdings nicht nur mit dem Mangel an Zeit, sondern auch damit zu tun, dass der Moderator seine Rolle als Abrufer von Wortspenden missverstand und sich nicht als Förderer von Diskussionen einbrachte.

Internet statt Publikum

Verschlankt wurde auch das Publikum, das konnte man zuhause am Fernseher weniger merken, dafür umso mehr vor Ort. Eine Stunde vorher schon im ORF-Theater zu sein, um einen Platz in dem nun arg verkleinerten Studio zu finden, kann man nicht jedem zumuten. Die Enttäuschung der Besucher war groß. Gerade diese Veranstaltung in Klagenfurt lebte davon, dass sich hier nicht nur die (vermeintlichen) Experten trafen, sondern sich junge und alte Leserinnen und Leser auf den ungemütlichen Biertischbänken drängten. Das glänzende Studio lädt mit seiner Enge die Interessierten aus, viele Plätze sind reserviert, Publikum ist darüber hinaus wohl keines mehr erwünscht bzw. man will es ins Internet verbannen.

Nun ist der Ausbau im Internet tatsächlich mehr als gelungen: Alle gelesenen Texte sind im Internet downloadbar, d. h. man kann nicht nur zuhören, sondern auch selbst mitlesen, egal wo man sitzt. Den Autorinnen und Autoren werden durch die Übersetzungen in sechs Sprachen auch Brücken in andere Länder gebaut.

Doch soll das Internet tatsächlich das konkrete Publikum vor Ort ersetzen? Will man das wirklich: Dass eines Tages die Autoren im Studio nur mehr vor Jury und Moderator lesen? Ein entsetzlicher Gedanke, meinte eine Autorin, es wäre ein tolles Gefühl zu spüren, wie die Leser mit den Texten mitgingen im Raum.

Noch etwas wurde augenfällig verschlankt: die Jury und mit ihr der Frauenanteil. Fanden sich in der neunköpfigen Jury letztes Jahr noch vier Frauen, so waren es unter den sieben Jurymitgliedern heuer nur mehr zwei: Als gäbe es einen Mangel an klugen Kritikerinnen. (Und als gäbe es einen Mangel an guten Autorinnen, wurde keine einzige Frau ausgezeichnet.)

Die "Tage der deutschsprachigen Literatur" werden vom Fernsehen dirigiert. Dieses Jahr war erst der Anfang von etwas, das war zu spüren. Die verhinderte Eröffnungsrede hielt Burkhard Spinnen als Schlussrede. Seine Sorgen angesichts der Veränderungen waren nicht zu überhören. Fast beschwörend wiederholte er den Satz und versuchte dabei, das Treubleiben zu betonen: "Nur wer sich ändert, bleibt sich treu."

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