TddL2021_Tellkamp - © Foto: APA / AFP / John Macdougall

Bachmannpreis: Uwe Tellkamp - Wie ein Superstar verschwindet

19451960198020002020

2004 erhielt Uwe Tellkamp den Bachmann-Preis. Teil 7 einer Serie mit Preisträger(innen)-Porträts anlässlich der 45. Tage der deutschsprachigen Literatur, die im Juni 2021 stattfinden werden.

19451960198020002020

2004 erhielt Uwe Tellkamp den Bachmann-Preis. Teil 7 einer Serie mit Preisträger(innen)-Porträts anlässlich der 45. Tage der deutschsprachigen Literatur, die im Juni 2021 stattfinden werden.

Werbung
Werbung
Werbung

Arno Geiger und Juli Zeh gingen leer aus, Wolfgang Herrndorf wurde mit dem Trostpreis, dem Kelag-Publikumspreis, ausgezeichnet. Alle drei gingen unabhängig vom Bewerb um den Bachmannpreis im Jahr 2004 unbeirrbar ihren Weg, für Uwe Tellkamp, einen damals weitgehend Unbekannten, aber bedeutete der Sieg den Aufstieg in die vorderste Reihe deutschsprachiger Literatur. Schon im ersten Durchgang vereinigte er die Mehrheit der Stimmen auf sich, das kommt kaum jemals vor. Die Entscheidung wurde im Feuilleton einhellig begrüßt. Ein Star war geboren, und seine beiden Romane, „Der Eisvogel“ (2005) und vor allem „Der Turm“ (2008), wurden hymnisch gefeiert.

Die Speerspitze der deutschen Literaturkritik zeigte sich beeindruckt davon, wie einer, der aus der DDR kommt, jüngste Zeitgeschichte sprachlich und formal kunstvoll abhandelte und dabei auf höchstem Reflexionsniveau agierte. In renommierten Zeitschriften wie Akzente, Sprache im technischen Zeitalter oder Schreibheft brachte Tellkamp mühelos seine Texte unter. Als er 2008 den Deutschen Buchpreis erhielt, war die Zustimmung einhellig.

Gunther Nickel kam 2005 schon einiges seltsam vor, wie er in einem in den Schweizer Monatsheften publizierten Essay festhielt. Von der Wiederkehr der „konservativen Revolution“, aus der Zwischenkriegszeit in unangenehmer Erinnerung, schrieb er, gefährliche „pyrotechnische Mischungen“ fielen ihm auf. Es ist jedoch zu einfach, von im Roman vertretenen Meinungen auf den Verfasser zu schließen. Das geschah später automatisch, als sich Tellkamp mit etlichen Aussagen in die Nähe zu gängigen Meinungen der AfD begab. Aus dem Vorzeigeautor wurde ein Buhmann, der Suhrkamp Verlag distanzierte sich umgehend von ihm.

Flüchtlinge diffamierte er als Menschen, die nach Deutschland kämen, „um in die Sozialsysteme einzuwandern, über 95 Prozent“. Zuletzt veröffentlichte er die Erzählung „Das Atelier“ in der Edition Buchhaus Loschwitz, einem neurechten Verlag, wo so Dubioses erscheint wie der Band „Corona-Diktatur. Der Staatsstreich von Merkel, Christunion und Co“. Eine Veröffentlichung in diesem Verlag wurde auch Monika Maron zum Verhängnis, da der S. Fischer Verlag, der über Jahrzehnte ihr Werk betreut hatte, ihr danach jede weitere Zusammenarbeit aufkündigte.

Kein Mensch redet heute über die literarischen Qualitäten des Werks von Uwe Tellkamp. Weil er selbst politisch Farbe bekannt hat, gerät umgehend alles, was er geschrieben hat, in Misskredit. Das ist auch nicht die richtige Lösung, mit Missliebigem, ja selbst Falschem, umzugehen. Ein Roman ist klüger als sein Autor, er wird nicht über Nacht schlecht, weil sich sein Verfasser auf ungustiöse Weise äußert. Wie es weitergeht, steht in den Sternen. Der von Suhrkamp für das Frühjahr 2021 in Aussicht gestellte Folgeband von „Der Turm“ ist auch im Herbstkatalog nicht zu finden.

Die 45. Tage der deutschsprachigen Literatur mit der Verleihung des Ingeborg-Bachmann-Preises werden vom 16. bis 20. Juni 2021 im ORF-Theater im ORF-Landesstudio in Klagenfurt stattfinden und auf 3sat live übertragen. Jury: Mara Delius, Vea Kaiser, Klaus Kastberger, FURCHE-Feuilletonchefin Brigitte Schwens-Harrant, Philipp Tingler, Michael Wiederstein, Insa Wilke (Vorsitz).

In dieser Serie stellt Anton Thuswaldner Preisträgerinnen und Preisträger aus 44 Jahren vor.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung