Unsichtbar slowenisch sein

Werbung
Werbung
Werbung

Nach 1919 und 1945 war jede Verwendung des Slowenischen Verrat an Österreich.

Nach außen hin wird die Zweisprachigkeit nicht gezeigt", sagt die Radkersburger Historikerin Andrea Haberl-ZemljicÇ und warnt die Furche: "Wenn Sie herkommen, und slowenischsprachige Familien in der Grenzregion besuchen, werden Sie nichts erfahren - wenn jemand Fremder kommt, wird sofort umgeschaltet." Diese Strategie hat sich die slowenischsprachige Minderheit in der Steiermark nach den traumatischen Ereignissen 1919 und 1945 zugelegt: "Unsichtbar und unauffällig" sein wurde zum Lebens- und Besserlebensmotto.

"Die Finger verbrannt"

Die Grazer Soziologin Sonja Ebner führte für ihre Dissertation zum Thema Fremdenfeindlichkeit Interviews in der Südweststeiermark durch - besser gesagt, wollte welche durchführen, denn eine Zweisprachige, die sich mit offenen Worten schon einmal "die Finger verbrannt hat", schickte Ebner weiter in die Grenzdörfer, "vielleicht würde sich ja dort jemand opfern". Ebner daraufhin zur steirischen Slowenin: "Opfern? So schlimm ist das?" - "Ja, freiwillig macht das keiner mehr. Meine Kinder haben Probleme, wenn sie in der Schule in der Pause slowenisch miteinander reden. Das gibt Ärger. Mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen."

Die Wurzel für diese Verdrängung des Slowenischen aus dem öffentlichen Leben liegt in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg: Vom Dezember 1918 bis zur Ratifizierung des Friedensvertrages von St. Germain im Juli 1920 wurden Radkersburg und die Umgebungsgemeinden von Truppen des shs-Staates der Slowenen, Kroaten und Serben besetzt. "Ab diesem Zeitpunkt scheint es für die zweisprachige Bevölkerung unmöglich gewesen zu sein, als slowenischsprachig zu gelten und trotzdem loyale Bürger Österreichs zu sein", schreibt Haberl-ZemljicÇ in ihrem Buch "Die Sprache im Dorf lassen" - und "dieses Verhaltensmuster sollte sich als prägend erweisen und ist bis heute feststellbar: Das Slowenische blieb, wenn überhaupt, nur als Familiensprache erhalten".

Mutterland & Muttersprache

Mit den jugoslawischen Gebietsforderungen nach dem Zweiten Weltkrieg wiederholt sich die Geschichte: Und als Konsequenz daraus galt für das politische Klima hierzulande noch mehr als zuvor, dass "jede Form der Verwendung des Slowenischen, ob öffentlich oder privat, vom Nimbus der Irredenta umgeben war", ist Haberl-ZemljicÇ überzeugt. "Irredenta" heißt der Anschluss abgetrennter Gebiete an das Mutterland - für die slowenischsprachigen Österreicher war und ist Österreich das Mutterland; ein Mutterland, das ihnen aber nach wie vor bei der Verwendung ihrer Muttersprache Prügel in den Weg legt. WM

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung