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Italienischer Ehedisput

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Wer vor sieben Monaten, nach Annahme des Gesetzesentwurfes Baslini-Fortuna durch eine kleine Mehrheit des Abgeordnetenhauses, meinte, die Einführung der Ehescheidung ins italienische Zivilrecht sei nur noch eine Sache von Tagen und Wochen, sah sich bald eines besseren belehrt. Wenige Tage vor Ausbruch der Regierungskrise sickerte die Meldung durch, der Vatikan habe bereits 1966 gegen diesen Vorstoß Stellung bezogen und ihn als Verletzung des 1929 zwischen Mussolini und Pius XI. abgeschlossenen Konkordates bezeichnet. Zu Beginn der Debatte über das Ehescheidungsgesetz fanden die italienischen Senatoren ein ölscitiges Elaborat vor, das sämtliche diplomatischen Noten enthält, die seit vier Jahren zwischen der Farnesina, dem Sitz des italienischen Außenministeriums, und dem Heiligen Stuhl ausgetauscht worden sind.

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Wer vor sieben Monaten, nach Annahme des Gesetzesentwurfes Baslini-Fortuna durch eine kleine Mehrheit des Abgeordnetenhauses, meinte, die Einführung der Ehescheidung ins italienische Zivilrecht sei nur noch eine Sache von Tagen und Wochen, sah sich bald eines besseren belehrt. Wenige Tage vor Ausbruch der Regierungskrise sickerte die Meldung durch, der Vatikan habe bereits 1966 gegen diesen Vorstoß Stellung bezogen und ihn als Verletzung des 1929 zwischen Mussolini und Pius XI. abgeschlossenen Konkordates bezeichnet. Zu Beginn der Debatte über das Ehescheidungsgesetz fanden die italienischen Senatoren ein ölscitiges Elaborat vor, das sämtliche diplomatischen Noten enthält, die seit vier Jahren zwischen der Farnesina, dem Sitz des italienischen Außenministeriums, und dem Heiligen Stuhl ausgetauscht worden sind.

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Das kirchliche Staatssekretariat gibt Italien zu bedenken, daß sich in Artikel 34 des Konkordates der italienische Staat verpflichtet hat, die zivilen Folgen der kirchlich geschlossenen Ehe anzuerkennen. Dem vor dem Priester geschlossenen Bund komme also nicht nur eine religiöse, sondern zugleich eine bürgerlich-zivile Bedeutung zu. Die Unauflöslichkeit der Ehe sei keine bloße Auswirkung des Eheversprechens, sondern eines seiner konstituierenden und wesentlichen Elemente. Die Regierung vertritt dagegen den Standpunkt, daß Artikel 34 des Konkordates den italienischen Staat nicht außerstande setzt, nach seinem freien Ermessen die zivilen Folgen der vor dem Priester oder auch nur vor dem Zivilstandesbeamten geschlossenen Ehe selbständig zu regeln. Der Verzicht darauf bedeute eine erhebliche Beschränkung seiner Souveränitätsrechte. Religiöse und zivile Aspekte einer Ehe seien unabhängig voneinander, weshalb das eine nicht auf das andere zurückgeführt werden könne. Das Konkordat habe lediglich eine gewisse Koordination zwischen beiden Bereichen eingeführt. Schließlich verweist die Farnesina auf den völkerrechtlichen Satz, daß in Sachen Auslegung internationaler Verträge das Prinzip der einschlägigen Interpretation der übernommenen Verpflichtungen Anwendung finde. Die Beachtung dieses Satzes laufe auf die Annahme der italienischen These hinaus.

Während die entgegengesetzten Standpunkte der von Papst Paul VI. gelenkten Katholischen Kirche und des unter Marlano Rumor stehenden Kabinetts in Sachen Ehescheidung nach wie vor nach vielen Gerüchten und Dementis endlich klar vorliegen, ist die Haltung der sich jetzt mit dem Gesetzesentwurf Baslini-Fortuna befassenden Senatoren noch nicht entschieden. Der Sitzverteilung nach sollten die Befürworter der Scheidüng auch im 350köpfigen Senat eine kleine Mehrheit hinter sich bringen. Außer Christdemokraten, Monarchisten und Neofaschisten haben sich alle Parteien für die Annahme ausgesprochen, was bei vollzähliger Präsenz ein Mehr von sieben Stimmen ergeben müßte. Was geschieht jedoch bei Absenzen oder plötzlichem Todesfall der teilweise hochbetagten Senatoren? Der Ausgang der Debatte kann durch das mehr oder minder freiwillige Fembleiben einiger Parlamentarier von der Schlußabstimmung bestimmt weiden.

Wohl wissend, daß die Meinungen über die Ehescheidung in der Koalition links von der Mitte auseinandergehen, hat Ministerpräsident Rumor am 7. April, bei Verlesung der Regierungserklärung, den hinter ihm stehenden Parteien in dieser Sache Entscheidungsfreiheit überlassen. Das Pro und Kontra in dieser Sache wird Rumors drittes Kabinett also nicht zu Fall bringen. Es sei denn, die vier Parteien, auch die Christdemokraten, wären plötzlich außerstande, jede für sich, in dieser heiklen Angelegenheiten einen geschlossenen Willen zu bekunden, und suchten nach einem günstigen Vorwand, den Centro-Sinistra-Regierungskur endgültig zu Fall zu bringen.

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