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Es rumort um Rumor

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Betrachtet man die Regierungsbildung in den Vereinigten Staaten und die mühsamen Verhandlungen des italienischen Ministerpräsidenten Mariano Rumor vor der Ausarbeitung seiner Minasterliste, so kann man doch nicht umhin, die Väter der amerikanischen Verfassung zu bewundern. Präsident Nixon konnte, ohne auf irgendwelche innerparteiliche Strömung oder persönliche Ambitionen Rücksicht zu nehmen, seine Regierungsmannschaft zusammensteilen, mit der er in den nächsten vier Jahren regieren wird. Bemerkenswert ist auch die Tatsache, daß die großen Vereinigten Staaten zwölf Minister haben, das im Vergleich kleine Italien aber deren 28 bedarf, zu denen sich noch 36 Staatssekretäre gesellen werden. Wie kann eine solche Monsterregierung, fast ein kleines Parlament, überhaupt funktionieren? Da bewährt sich schon die scharfe Trennung zwischen Legislative und Exekutive, wie sie in der Verfassung der Vereinigten Staaten durchgeführt ist.

Ministerpräsident Rumor war in der wenig beneidenswerten Zwangslage, nicht nur die an und für sich verschiedenen Ansichten der drei Koalitionsparteien der „Linken Mitte“ berücksichtigen zu müssen, er mußte auch den zahlreichen innerparteilichen Zerklüftungen innerhalb seiner eigenen christlichdemokratischen und innerhalb der vereinigten Somalistischen Partei Rechnung tragen. Der gemäßigte Nenni hat nunmehr das Außenministerium übernommen, während der innerparteiliche Oppositionsführer der Sozialisten, Francesco de Martino, stellvertretender Ministerpräsident geworden ist. Dabei war es mit den Sozialisten relativ noch leicht, schwieriger war es für Rumor, die eigene Partei zufriedenzustellen. Vor allem deswegen, weil die Links-gruppe um Donat Catin immer droht, einen Schulterschluß mit den Kommunisten herzustellen und so die Regierung bei Abstimmungen in die Minderheit zu setzen. Rumor wird es daher sehr schwer haben, irgendwelche größere Vorhaben im Parlament durchzusetzen, denn irgendeine Gruppe wird immer unzufrieden sein.

ist stark auf innere Reformen ausgerichtet: Schul- und Universitätsreform, Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, Einführung der Regionen,

Suchen nach einem Weg zur Entschuldung der Gebietskörperschaften, vor allem der großen Städte. In der Außenpolitik will man wohl am Atlantikpakt festhalten, jedoch bleibt man am „Entspannungskurs“, als ob es keinen 21. August 1968 gegeben hätte, trotz der sowjetischen Flotte im Mittelmeer, trotz der bedrohlich anwachsenden Spannung im Nahen Osten. Die Südtirolfrage wird nach wie vor als eine Frage der Auslegung des de-Gasperi—Gruber-Abkommens gesehen.

Aufsehen erregte eine Wendung in der Regierungserklärung, die besagte, daß man konstruktive Vorschläge der Opposition berücksichtigen bzw. die parlamentarische Unterstützung eigener Vorlagen durch die Opposition nicht verschmähen werde. Ob der Regierungschef bei dieser Wendung an die Opposition der Liberalen oder gar der anderen Rechtsparteien gedacht hat, sei dahingestellt. Die beiden extremen Linksparteien, „Chinesen“ (Sozialistische Partei der proletarischen Einheit) und Kommunisten würden kaum eine Regierungsvorlage unterstützen, ohne entsprechende Zugeständnisse zu erhalten. Man spricht davon, daß auch kommunistische Parlamentarier der italienischen Delegation in Straßburg angehören werden, sobald die gesamte Delegation erneuert werden wird.

Die Frage der Ehescheidung soll nicht durch eine Regierungsvorlage vor das Parlament gebracht werden. Falls das Parlament eine Initiative auf diesem Gebiet ergreifen sollte, möchte die Democrazia Cristiana die Frage einer Volksabstimmung vorlegen. Es ist fraglich, ob sich nicht alle anderen Parteien gegen diese ziemlich sichere Torpedierung der Scheidung wenden und gemeinsam die DC überstimmen werden. Das würde allerdings die Koalition sprengen. Natürlich wäre die Einführung der Ehescheidung ein einseitiger Bruch des italienischen Konkordates. Die Lateranverträge wären damit hinfällig. Jedoch die „Civiltä Cattolica“ hat bereits in einem Artikel die Möglichkeit erörtert, daß sich die Katholiken Italiens einer Volksabstimmung beugen würden.

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