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Kaum war nach Schatzkanzler La Malfas Demission das ganze Kabinett Rumor zurückgetreten, als in Rom das Rätselraten um den Ausgang der 35. Regierungskrise seit 30 Jahren begann. Viele glaubten, daß Rumor einmal mehr sein eigener Nachfolger sein werde, und hofften, daß sein fünftes Kabinett nach acht Monaten auf weniger Mißerfolge als seine vierte Auflage werde blicken müssen. Gutinformierte Kreise waren aber davon überzeugt, daß es Rumor nicht gelingen werde, die vier bisherigen Koalitionsparteien des Linken Zentrums wieder unter einen Hut zu bringen.

Es ist ein offenes Geheimnis, daß das Versagen der bisherigen Regierungen „links der Mitte“ weitgehend auf die geringe Entschlußkraft Moros und Rumors zurückgeht. Beide haben sich bisher wiederholt als ausgezeichnete Vermittler und Streithähne der vier Koalitionsparteien, die sich im Ministerrat nicht einmal mehr grüßten, erwiesen.

Wenn jedoch, wie in der jetzigen Wirtschaftskrise, Not am Mann ißt, gilt es, für das Beste aller Bürger zu regieren und nicht nur auf innere Zwistigkeiten der eigenen Mannschaft zu reagieren.

Unter solchen Vorzeichen machte sich Republikanerführer La Malfa die Idee Fanfanis zu eigen und forderte von Men Parteien des linken Zentrums, daß sämtliche Generalsekretäre der Regierung angehören sollten. Auf diese Weise Würden die Kabinette einen besseren Rückhalt bei den sie stützenden Parteien haben, und gewisse Heckenschützen-manöver der Generalsekretariate könnten gleichsam im Keime erstickt werden.

Bisher ist Fanfanis und La Malfas Vorschlag eines solchen Ministerratsdirektoriums immer nur Vorschlag geblieben. Besonders die Sozialdemokraten und Linkssozialisten sträubten sich dagegen, die ersten zu sein, weil sie als kleine Parteien in einer derartigen „Superregierung“ leicht überfahren werden könnten. Die Linkssozialisten, weil es ihnen aus wahltaktischen Gründen behagt, auf der einen Seite sich an den Kabinetten zu beteiligen und auf der anderen Seite die Kontakte mit der Opposition (lies: KPI) nicht zu verlieren, sich also vor den eigenen Anhängern gleichzeitig als Regie-rungs- und Oppositionspartei präsentieren zu können.

Was zur Zeit des italienischen Wirtschaftswunders keine Aussicht hatte und in den letzten zehn Jahren trotz Verschlechterung der Wirtschaftslage stets umgangen wurde, ist nach Ansicht vieler Beobachter in der jetzigen Situation unausweichlich geworden, um die Krise zu überwinden und die Ausartung des eigenmächtigen Spiels der Parteien in eine allgemeine Krise des demokratischen Regimes zu verhüten. Einige gehen noch einen Schritt weiter und fordern an die Spitze der Regierung eine durchschlagskräftige Persönlichkeit an Stelle eines bloßen Vermittlers.

Es fragt sich nun, wie sehr sich nicht nur Christdemokraten und Republikaner, sondern auch Linkssozialisten und Sozialdemokraten davon überzeugt haben, daß sie im Chaos der Parteien und Gewerkschaften einen Führer ä la Fanfani benötigen, oder ob sie einem so starken Mann, auch wenn es nur ein „Ducetto“, ein kleiner Duce, ist, weiterhin den Weg versperren. Und zwar, weil sie sich nicht die Hände binden lassen wollen und ebensowenig vor ihrer Wählerschaft mit einer starken Regierung identifizieren lassen möchten, die mehr Opfer verlangen muß, als sie die Erlösung von all den uralten Übeln versprechen können. Eines steht fest: Können sich die Repräsentanten der vier Parteien weder auf einen unterstützungswürdigen Regierungschef noch auf eine bestimmte stabile Regie-rungsformel einigen, so muß der auf den 12. Mai angesetzte Urnengang über die Ehescheidung einmal mehr um wenigstens ein Jahr verschoben werden.

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