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Eigener Nachfolger im Palazzo Chigi ?

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Der mit seinem Kabinett zurückgetretene italienische Ministerpräsident Emilio Colombo hat den Zeitpunkt der Regierungskrise sehr gut gewählt. Bevor er dem neuen Staatspräsidenten Leone im Quirinal das traditionelle Demissionsschreiben überreichte, vermochte er im Maltakonflikt zwischen dem ausbeuterischen Dom Mintoff und den eher zugeknöpften Engländern so weit zu vermitteln, daß jetzt gute Aussichten für ein weiteres Verbleiben der NATO-Kräfte, wenigstens bis zum nächsten Erpressungsmanöver des maltesischen Premiers, bestehen. Mag Colombos Vermittlertätigkeit derart nur einen Erfolg auf Abruf bilden und Italien teuer zu stehen kommen, so kann ihm dieser letzte geübte Schachzug eine Minute vor 12 Uhr der 32. Regierungskrise der Nachkriegszeit bei der nächsten Regierungsbildung zugute kommen. Es ist jetzt, noch weniger als vor Wochen, deutlich klar, daß Colombo nach den Konsultationen des Staatsoberhauptes von Giovanni Leone erneut mit der Regierungsbildung beauftragt wurde und derart über kurz oder lang sein eigener Nachfolger im Palazzo Chigi wird.

Gehört es zum Wesen einer parlamentarischen Demokratie, daß die von den Volksvertretern eingesetzten Regierungen nur dann zu Fall kommen, wenn hinter ihren gesetzlichen Kräften keine Mehrheiten mehr stehen und ihnen somit das Vertrauen der Parlamentarier abhanden gekommen ist, so hat Italien schon vor Jahren aufgehört, in diesem Sinne eine parlamentarische Demokratie zu sein. Seit 17 Jahren sind es immer nur die Regierungsparteien, und nur sie, gewesen, die selbstherrlich das Schicksal der von ihnen gewählten Regierungen bestimmt haben. Auch diesmal ist der Vorschlag, der guten Ordnung halber erst eine parlamentarische Debatte über die Opportunität des Verbleibens in der Regierung zu führen, und erst nachher je nach Ausgang die allfällige Konsequenz daraus zu ziehen, in den Wind geschlagen worden. Die vier Parteien des Linken Zentrums haben es einmal mehr vorgezogen, hinter den Kulissen eine Regierungskrise in Szene zu setzen und die Art ihrer Uberwindung offen zu lassen. Nur auf einen einzigen Punkt haben sich Christlichdemokraten, Linkssozialisten, Republikaner und Sozialdemokraten vor Ausbruch der Krise geeinigt: daß sie alle gewillt seien, erneut ein gemeinsames Kabinett links von der Mitte zu bilden.

Wird nun aber in Rechnung gestellt, daß sie unter dem Centro-Sinistra, dieser Politik des Linken

Zentrums, verschiedenartige, teilweise entgegengesetzte Dinge verstehen, so handelt es sich eigentlich nur um eine Bekundung des guten Willens: Bevor die Linkssozialisten auf der Verwirklichung der unbeschränkten Linksöffnung, also der Aufnahme der KPI in die Regierung bestehen und Sozialdemokraten und Republikaner an Stelle der Kommunisten Liberale in die Koalition bitten wollen, werden sie einmal mehr, wie stets seit 1963, versuchen, ohne diese Außenseiter auf der Linken oder auf der Rechten eine Koalitionsregierung der halblinks nach links geöffneten Regierung zu bilden.

Bereits vor Colombos Demission haben die Nenni-Sozialisten ihre bisherigen Bündnispartner, besonders die Democrazia Cristiana, wissen lassen, daß sie sich nur zu einer weiteren Allianz bereit finden, wenn es nicht zum Referendum über die Abschaffung der Ehescheidung kommen wird. Im Verein mit Sozialdemokraten, Republikanern und auch den Kommunisten plädieren die Linkssozialisten für die Aufnahme eines neuen Scheidungsgesetzes, das derart erschwerte Bedingungen zur Auflösung der Ehe vorsieht, daß dagegen von Seiten der Scheidungsgegner das Referendum nicht ergriffen würde. Und wenn sie es dennoch tun sollten, bestünde ihrer Ansicht nach kaum Aussicht, daß es die Mehrheit der 35 Millionen italienischer Stimmbürger und Stimmbürgerinnen gutheißen würde.

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