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PSI im Wartesaal

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In Italien gehen die Meinungen darüber auseinander,, ob sich für den mit der Regierungsbildung beauftragten Mariano Rumor Aussichten bieten, einem starken Kabinett vorzustehen, das bis zum Ende der laufenden Legislatur (1977) durchhalten wird, oder ob auch er, wie die meisten seiner Vorgänger, sich mit einem Übergangskabinett begnügen muß. Nach dem ehemaligen linkssozialistischen Minister Antonio Gio-litti — Enkel des bedeutenden Ministerpräsidenten der liberalen Epoche, Giovanni Giolitti — sollte Rumor zunächst lediglich eine Ministerliste für 100 Tage aufstellen. Sie könnte die Namen prominenter Christdemokraten, Sozialdemokraten und Republikaner enthalten. Die linkssozialistische Partei (PSI) würde eine solche Dreierregierung von außen, das heißt: lediglich im Parlament, unterstützen, und nach Ablauf der drei Monate, je nach dem Verhalten dieser Halblinksregierung auf Abruf, sich für eine eigentliche Beteiligung entschließen oder weiterhin im Warteraum der direkten Machtausübung verharren.

Antonio Giolitti hat laut ausgesprochen, was viele linkssozialisti-sche Politiker denken: Jedesmal, wenn sie sich zwischen 1962 und 1971 zu sehr mit der Regierung identifizierten, pflegten sie bei den verschiedenen Urnengängen auf kommunaler, regionaler und nationaler Ebene Stimmen einzubüßen. Die Opposition an der Seite der KPI ließ sie im Kampf um die Wähler jedoch regelmäßig gut abschneiden. Die Regionalwahlen in Friaul und Julischve-nezien bestätigten diese Tendenz einmal mehr: Die Linkssozialisten — seit 14 Monaten in der Opposition — waren die großen Gewinner dieses Urnenganges, auf Kosten der DC und der KPI. Entschließt sich die PSI für die Zwischenlösung einer parlamentarischen Unterstützung ohne sich an Rumors Regierung direkt zu beteiligen, so erledigt sie nach Ansicht vieler Nenni-Soziali-sten zwei Fliegen auf einen Schlag, indem sie zugleich als Regierungsund als Oppositionspartei auftreten kann. Als Regierungspartei hinter den Kulissen bei der Einflußnahme auf Dekrete und Gesetze, und als Oppositionsparte! gegenüber den Wählern.

Bei den anderen Parteien des linken Zentrums stößt das linkssozialistische Ansinnen meines bloß halben Engagements nicht auf große Gegenliebe. Nach Ansicht der meisten Christdemokraten, Sozialdemokraten und Republikaner gibt es ohne starke Regierung keine Überwindung der gegenwärtigen Wirtschafts- und Währungskrise. Um dem Kabinett Schlagkraft zu geben, möchte Republikanerchef La Malfa allen Generalsekretären der vier Centro-Sinistra-Parteien Ministerämter zuweisen. Eine zehnprozentige Teuerung in vier Monaten und — seit Februar — eine zwanzigprozen-tige Entwertung der Lira gegenüber den harten Währungen lassen den demokratischen Parteien keinen Raum mehr für allerlei taktische Schachzüge ihrer Partner. Und dies umsoweniger, als im Endeffekt die KPI und die Neofaschistische Partei, Diktaturbestrebungen von links oder von rechts also, die einzigen Nutznießer solcher gegenseitiger Übertölpelungen sein könnten.

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