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Revolte im Stauwerk

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Zehn Jahre, lang hatte man über das Wasserkraftwerk „El Chocön — Cerros Colorados“ diskutiert. Schließlich begann im Jänner 1969 nach Erteilung eines Weltbankkredits von 82 Millionen Dollar die erste Bauphase, deren Kosten 325 Millionen Dollar betragen sollen. 1260 km von Buenos Aires entfernt — in Patagonien — wird,der Fluß Limay zur Errichtung eines Wasserkraftkomplexes ausgenutzt. Der Stausee wird 82.000 ha umfassen. Die Staumauer wird eine Höhe von 90 m und eine Breite von 2400 m erreichen. Bis 1973 sollen drei Generatoren mit je 200.000 kW und zwei Hochspannungsleitungen bis in die Industriezone von Buenos Aires fertig sein.

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Zehn Jahre, lang hatte man über das Wasserkraftwerk „El Chocön — Cerros Colorados“ diskutiert. Schließlich begann im Jänner 1969 nach Erteilung eines Weltbankkredits von 82 Millionen Dollar die erste Bauphase, deren Kosten 325 Millionen Dollar betragen sollen. 1260 km von Buenos Aires entfernt — in Patagonien — wird,der Fluß Limay zur Errichtung eines Wasserkraftkomplexes ausgenutzt. Der Stausee wird 82.000 ha umfassen. Die Staumauer wird eine Höhe von 90 m und eine Breite von 2400 m erreichen. Bis 1973 sollen drei Generatoren mit je 200.000 kW und zwei Hochspannungsleitungen bis in die Industriezone von Buenos Aires fertig sein.

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Der Auftakt ist wenig hoffnungsvoll. Das Unternehmen wird von einer staatlichen Aktiengesellschaft („Hidronor“) geführt, während der Bau selbst von einem italienisch-argentinischen Konsortium vorgenommen wird. Vier Streiks in einem Jahr bezeugen, wie schlecht das Arbeitsklima ist. Der letzte, der am 14. März nach 20tägiger Dauer endete, wirft ein bezeichnendes Licht auf die sozialen Verhältnisse in Patagonien, die komplizierten Auseinandersetzungen innerhalb der Gewerkschaft und die Tätigkeit von Arbeiterpriestern auch in Argentinien. Die Zentrale der Bauarbeitergewerkschaft (Generalsekretär: Rogelio Coria) gehört zu dem Sektor der Arbeiterorganisationen, die mit der Regierung zusammenarbeiten wollen. Sie finden dabei in den Basen stärksten Widerstand. In der Ortsgruppe Neuquen, die' für das Kraftwerk zuständig ist, hatten linksorientierte Funktionäre, vor allem Antonio Alac, die Oberhand gewonnen. Sie organisierten Mitte Dezember einen Streik, bei dem sie Ihre Anerkennung, eine vierzigpro-zentige Lohnerhöhung sowie bessere Arbeits- und Lohnbedingungen forderten. Die Arbeiter, zum Teil auch chilenische, bolivianische und paraguayische, sind in provisorischen, ungeeigneten Behausungen zu neunt untergebracht, während der Raum bestenfalls für drei reicht. Sieben Tote und zahllose Verletzte sind die Folgen unzureichender Sicherheitsvorkehrungen. Ein Hospital ist nicht vorhanden, die Nahrungsmittelpreise 40 Prozent höher als die im benachbarten Neuquen. Zunächst wurden diese Delegierten entlassen und dann — wie jetzt wieder — zusammen mit dem Arbeiterpriester Pascual Rodriguez verhaftet. Bei einer Abstimmung sprach ihnen die Belegschaft ihr Vertrauen aus. So wurden sie vorübergehend als Betriebsräte anerkannt. Ende Februar traten von den 1700 Arbeitern 1500 in Streik. Die Stillegung des Baus bedeutet den Verlust von einer Million neuer Pesos pro Tag (zirka eine Million D-Mark). Der Vizepräsident von „Hidronor“ erklärte, daß ein Streik von vier Wochen einen Rückschlag von einem Jahr bedeute.

Staatschef Ongania: Sorgen mit den

Katholiken ... Photo: Keystone

Die Arbeiter errichteten Barrikaden. Hunderte von Polizeibeamten und Gendarmen mit Tränengaspistolen, Überfallswagen und sogar einem Helikopter lagen ihnen 19 Tage hindurch gegenüber. Die große Gefahr bestand darin, daß die Arbeiter das Dynamit, das ihnen für die Sprengungen zur Verfügung stand, zum Kampf benutzten. Aber es kam nicht dazu. Die Polizei besetzte ihre Zone und verhaftete die drei prominentesten Gewerkschaftsführer und den Arbeiterpriester. Etwa 1000 Arheiter sollen — zum Teil ohne einen Cent — aus Protest das Werk verlassen haben. Der Bischof von Neuquen, Monsignore De Nevares, bestritt, daß Agitatoren am Werk waren. Er sagte auch, „Hidronor“ plane, eine Kapelle zu errichten; solange sie aber nicht Arbeitsbedingungen im christlichen Sinn herbeiführe, sei der Bau einer Kirche eine Farce. Er würde jedenfalls in ihr keine Messe lesen. Die Haltung des Bischofs ist um so beachtenswerter, als die Kirche in Argentinien — im Gegensatz zu Brasilien — im allgemeinen konservativ eingestellt ist und mit der rechtskatholischen Regierung Onganias zusammenarbeitet.

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