Er kommt auf leisen Pfoten

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Und das mitten in einem Zentrum der freien Welt, sprich der Bundespressekonferenz in Berlin, wo Recep Tayyip Erdo gan gemeinsam mit Angela Merkel eine Pressekonferenz gab: Der frühere Chefredakteur der regierungskritischen Cumhuriyet, Can Dündar, konnte daran nicht teilnehmen, weil Erdogan gedroht hatte, den Termin abzusagen, wenn der in der Türkei verurteilte Dündar erscheine. Dündar hatte u. a. über Waffenlieferungen der Türkei an den IS berichtet, was ihn zum "Verbrecher"(so beschimpfte ihn Erdogan in Berlin) machte. Ein anderer Journalist, der auf der Pressekonferenz ein T-Shirt mit der Aufschrift "Freiheit für Journalisten in der Türkei" trug, wurde von Sicherheitsleuten des Saales verwiesen, und ein Reporter der Agence France Press berichtete, er sei beim Eingang von einem deutschen Security-Mann befragt worden, welche Fragen er zu stellen beabsichtige, und ob er die Situation von Journalisten in der Türkei anzusprechen gedenke. Auch in Deutschland anno 2018 gilt: Wenn in der hohen Politik die Nerven blank liegen, müssen sich auch Journalisten warm anziehen. In der Türkei ist das sowieso längst der Fall. Dabei sind die Kalamitäten einer Berliner Pressekonferenz ja ein Klacks im Vergleich zu den Verfolgungen, denen sich Journalisten in der Türkei aktuell gegenübersehen.

Die Freiheit der Medien steht längst zur Disposition

Dennoch gibt der geschilderte Berliner Fall zu denken: Mehr und mehr erfahren gerade Medienleute, dass ihre Freiheit längst zur Disposition steht. Das passt in die Zeitdiagnostik, wie sie der US-Historiker Timothy Snyder auch im FURCHE-Interview (Seite 7) formuliert: Das Potenzial für den Autoritarismus ist groß. Snyder macht das auch an den Medien fest. Jedenfalls gibt es ein Misstrauen in die Medien, für die er den Rat bereithält, Fakten zu liefern und sich an diese zu halten.

Die derzeitige Gesellschaftslage ist nicht davon bestimmt, dass große totalitäre Ideologien Europa oder die Welt bedrohen.

Sondern der Autoritarismus kommt -zumindest bislang - auf leisen Pfoten. Aber er kommt. Insofern muss auch obige Berliner Episode als Alarmsignal gelten.

Österreich ist da aber schon um einiges weiter - jedenfalls was das Einlullen betrifft, es sei eh nicht so schlimm oder allenfalls von einer linkslastigen Medienkamarilla herbeigeschrieben. Schon diese Zuschreibung ist aber ein Produkt der Vernebelung dessen, was tatsächlich auf dem Weg ist. Und es ist wahrlich kein Zufall, dass sich zurzeit die Augen der Medien auf Vorgänge rund ums FPÖ-geführte Innenministerium richten.

Ein Wahnsinn, der Methode hat

Nein, Herbert Kickl hat den Kurier, den Falter, den Standard (die unterschiedlichen politischen Richtungen nahestehen) nicht "bedroht". Aber ein wenig Zurückstutzen wird man ja versuchen dürfen. Dass das Ministerium nun den Falter-Journalisten Florian Klenk beim Presserat anzeigen will, ist die nächste Eskalationsstufe. Klenk machte mit den Veröffentlichungen dessen, was ihm Whistleblower aus der Herrengasse zukommen ließen, aber nur das, was ein Journalist zu tun hat, der sich auch nicht darum schert, ob er jetzt ein blaues, rotes oder schwarzes (heute: türkises) Haus in die Kritik bringt. Medien haben in einer Demokratie eben Wachhunde zu sein -was denen an der Macht naturgemäß missfällt.

Kehrseite der seit Antritt der Koalition ausgerufenen "Message Control" ist, Kritik an der aktuellen Politik möglichst effektiv zu diskreditieren. Ob man den ORF in Bausch und Bogen der Lüge zeiht oder die Arbeit einzelner Journalisten niedermacht: All das ist ein steter Tropfen, der die Demokratie aushöhlt.

Übrigens geht es längst nicht mehr um Medienfreiheit allein: Dass das Bundesasylamt -auch dieses zum Innenministerium ressortierend - den Asyl-Experten der evangelischen Diakonie mit einer Verleumdungsklage überzieht, weil dieser im Kurier das Amt kritisiert hatte, spricht für sich: Noch greift der Wahnsinn, Gott sei Dank, ja nicht. Aber Methode hat er schon längst.

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