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Splitter von den Alpbacher Mediengesprächen 2002: Die Medienlage global, kontinental - und ein Blick nach (Süd-)Osten.

Jeden Juli treffen im amerikanischen Sun Valley Wirtschaftsbosse mit Analysten zu- sammen. In den letzten Jahren standen bei dieser exklusiven Veranstaltung die Medienunternehmer im Mittelpunkt. Doch: "In diesem Jahr sprach keiner von ihnen. Statt dessen hatten das Wort: der CEO von Unilever, der Chairman von General Electrics, der Chef der CIA. Es fiel kein Wort von den Medien."

Mit diesem drastischen Beispiel brachte es Jan Mojto, bis vor kurzem Manager beim gestrauchelten Kirch-Konzern, in Alpbach auf den Punkt: Die Medienriesen, in den letzten Jahren durch Megafusionen entstanden, sind zur Zeit nicht in die ersten Player der globalen Wirtschaft. Große Einbrüche in der Branche hinterlassen ihre Spuren; dennoch kann nach Mojtos Ansicht keine Rede vom Ende des Wachstums sein: Dies sei immer wieder in Wellen aufgetreten, und werde wieder stärker werden.

Der Ex-Manager von Kirch ist überzeugt, dass beim nächsten Wachstumsschub die Qualität wieder eine größere Rolle spielen wird als zur Zeit: Das Medienwachstum in der Zukunft werde sich, so Mojto "wieder mehr aus Inhalten nähren". Allerdings sprach sich der Medienmanager gegen staatliche "Regeln, welche Medienmärkte künstlich beschränken" aus.

Anders argumentierte Wolf-Dieter Ring, Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien, der ebenfalls die Kri- se der Medien, die vor allem durch die massiven Einbrüche in der Werbewirtschaft betroffen seien, thematisierte. Ring plädierte nämlich sehr wohl für regulatorische Eingriffe, vor allem dort, wo elementare Werte gefährdet würden - als Beispiel führte er Missbräuche des Internets an. In Bezug auf die gegenwärtige Krise fragte Ring, ob diese zu strukturellen Änderungen führen werde "und damit möglicherweise zu einer Einschränkung der Vielfalt".

"Freier" heißt nicht "frei"

Zur Rede von den Megafusionen und globalen Medienkonzernen war es in Alpbach naturgemäß ein scharfer Kontrast, Journalisten und Medienleuten aus den Balkanländern und den Reformstaaten Ostmitteleuropas zuzuhören, denen die skizzierten Probleme vor allem aufgrund des Engagements westlicher Medienunternehmen in ihren Ländern bewusst sind: Der Kauf von Medien durch internationale Konzerne habe, so Oliver Vujovi´c, Generalsekretär der in Wien ansässigen "South East Europe Media Organisation", in diesen Ländern oft ein Sinken der Qualität dieser Medien zur Folge.

Die Pressefreiheit in diesem Teil Europas, darin waren sich die betroffenen Journalisten einig, ist nach wie vor nicht wirklich existent. "Freier heißt nicht frei", meinte etwa Radomir Licina, Chefredakteur der unabhängigen Tageszeitung Danas in Belgrad: Auch nach der friedlichen Revolution in Serbien sei die kritische Berichterstattung weiter unter Druck - von Institutionen, Parteien, aber auch von Unternehmen; die berüchtigten "informellen Gespräche" bei der Polizei seien immer noch allgemein üblich.

Ein anderes Problem sprach Pavol Mudry, Chef der unabhängigen Nachrichtenagentur SITA in Bratislava, an: Nach 1990 seien die slowakischen Medien mit einem Schlag "frei" gewesen, die Journalisten hätten - im Gegensatz zu den Machtpolitikern - damit aber nicht umzugehen gewusst. Solche Umstände, so Mudry, seien für den Aufstieg Vladimir MeÇciars in der Slowakei verantwortlich gewesen. Ein neuer Höhepunkt sei die Parlamentskandidatur des Medienzaren Pavol Rusko, der sein Radio, seine Zeitung und seinen TV-Sender Markiza für politische Werbung in eigener Sache nutzt.

Identität ohne Öffentlichkeit?

Neben der Analyse der Medienlage im (Süd-)Osten Europas wurde in Alpbach abschließend auch die europäische Perspektive in den Blick genommen: Medienleute aus West und Ost diskutierten darüber, ob es eine "europäische Öffentlichkeit" gibt.

Peter Norman von der Financial Times bezweifelte, dass solch europäische Öffentlichkeit in einem breiten Sinn kommen werde: zu groß seien die Hürden - kulturell, sprachlich und wegen der Tatsache, dass die Hauptthemen, die die Menschen interessieren (Gesundheit, Bildung...), hauptsächlich binnenpolitische Themen der einzelnen Länder sind.

Adam Krzeminsky von der Warschauer Zeitung Polityka meinte gar, dass vor dem Fall der Berliner Mauer zumindest unter den Intellektuellen im Osten der Drang, mit dem Westen zusammenzukommen, größer gewesen sei als heute. Auch Daniel Vernet von Le Monde konstatierte, dass heute weder eine europäische Öffentlichkeit, noch eine europäische "Innenpolitik" existiere. Aber, so Vernet, es gebe den Euro, einen europäischen Reisepass, die Integration der Wirtschaften und die Wahlen zum Europaparlament: Dies alles helfe, auf den Weg zu einer europäischen Öffentlichkeit zu kommen.

Den Schlusspunkt dieser Auseinandersetzung lieferte der Publizist Roger de Weck, ehemaliger Chefredakteur der Zeit, durch einen Vergleich mit seiner Schweizer Heimat: In der Schweiz sei es in den letzten 150 Jahren nur ansatzweise gelungen, eine Gesamtschweizer Öffentlichkeit zu entwickeln - zu unterschiedlich wäre der deutschsprachige oder der französische Landesteil oder das Tessin. Dennoch gebe es eine "Schweizer Identität".

Dieses Beispiel zeige, so Roger de Weck, dass auch Europa Hoffnung haben könne.

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