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Zwischen Erpressung und netten Worten

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Mit Todor Schiwkovs Besuch in Wien ist der Bann gebrochen, den auch die österreichische Bundesregierung den Staaten des Warschauer Paktes auferlegt hatte. Nach Schiwkov wird nun auch Ungarns Regierungschef Fock nach Wien reisen. Der Wermut bei den Diners schmeckte zwar den Bulgaren nicht immer, besonders dann, wenn Gastgeber Dr. Klaus unmißverständlich Tadel an die Bulgaren austeilte — aber das Ziel der Politiker aus Sofia war offensichtlich, sich und Ihr Land aus einer Boykottposition her-auszumanövrieren. Das ist ihnen bislang mit diesem Staatsbesuch, der eine Erwiderung der Visite von Bundeskanzler Klaus im Oktober 1967 war, gelungen. Bulgarien sucht, und dafür gibt es zahlreiche Anzeichen, stärkeren Kontakt zum Westen. Das Land hat sich aus einem Agrarstaat zu einer Industriemacht auf dem Balkan entwickelt. Und die Produkte, mit denen die „Preußen des Balkans“ am Weltmarkt auftauchen, wollen abgesetzt sein.

Allerdings hat Bulgarien bisher auch nicht den leisesten Versuch unternommen, die cyrillischen Brüder aus der Sowjetunion von ihrem harten Griff auf Bulgariens Außen-und Militärpolitik abzubringen. Bulgarien ist der treueste Ja-Sager des Kreml.

So mußten die Bulgaren auch Soldaten bereitstellen, als der militärische Uberfall auf die Tschechoslowakei erfolgte. Fallschirmjäger waren bei der Flugpiattbesetzung Prags beteiligt, motorisierte Schützenpanzerregimenter besetzen in der Slowakei Kosice, Nitra und Banska-Bistrica. So stellte K'kus in seiner Tischrede für Schiwkdv auch klar, daß Österreich die Erhaltung der nationalen Souveränität und die Nichteinmischung in innere Angelegenheiten als fundamentale Voraussetzungen der Sicherung des Friedens in Europa ansieht: „Es hat den Völkern noch immer Unglück gebracht, wenn diese Prinzipien mißachtet wurden, und doch sind wir auch heute noch oft von einer ernsten Beachtung dieser Grundsätze weit entfernt, wie uns die internationalen Entwicklungen zeigen.“

Damit war auch schon klargestellt, was Wien als ernsthafte Voraussetzung einer europäischen Sicherheitskonferenz ansehen würde. Hatten doch die Warschauer-Pakt-Staaten bei ihrer Tagung in Budapest diesen Vorschlag unterbreitet und mittlerweile auf diplomatischem Weg bei mehreren europäischen Hauptstädten um Reaktionen gebeten. Schiwkov war der erste hohe Repräsentant des konservativen Ostblocks, der im Westen Interpretationen abgab. Demzufolge, so hört man aus Regierungskreisen, soll in zwei- und mehrseitigen Direktverhandlungen Tagesordnung und Charakter einer solchen Konferenz festgelegt werden. Aber Schiwkov ging noch weiter: die Parlamente sollen bei der Erörterung der Thematik eingeschaltet werden — anscheinend in der Absicht, den Kommunisten in den europäischen Parlamenten Gelegenheit zur Demonstration zu geben. Der Bulgare soll in Wien auch ein Zipfelchen der Vorstellungen gelüftet haben, die der Ostblock hinsichtlich dieser Konferenz hegt. Es geht den Russen darum, eine neue Gesprächsbasis in Europa zu schaffen, auf der vor allem die Deutschlandfrage aufgerollt werden soll. Das Ziel aber bleibt unverändert: Die Sicherheit Europas bedinge eine Anerkennung des Status quo, also der Existenz zweier deutscher Staaten, der. Unverrückbarkeit der polnischen Grenzen und die faktische Zustimmung der Europäer zur Machtsphärenpolitik auf Grund der Jalta-Formel, die den Sowjets indirekt das Interventionsrecht in ihrem Bereich einräumt. So ist es verständlich, daß es Moskau und seinen Getreuen darum geht, moralischen Druck vor allem auf Westdeutschland auszuüben. Deshalb könnten nach sowjetischer Vorstellung auch die „kleinen“ Europäer, vor allem auch die Neutralen (deren Sicherheitsbedürfnis am größten ist) in erster Linie für die Sicherheitskonferenz geworben werden. Bemerkenswert ist also nicht allein die Schiwkov-Visite an der Donau, sondern auch der Besuch des schwedischen Ministerpräsidenten Erlander in Rumänien; und Erlander war vor seinem Flug nach Bukarest Gast in Bern, wo er mit den Schweizer Neutralen den Ostblock-Plan besprach.

Während aber Schiwkov mit netten Worten den Wiener Gastgebern den Konferenzplan erläuterte, erreichen Österreich gleichzeitig andere Töne einer üblen Begleitmusik. Das sowjetische Regierungsorgan „Iswestija“ (also nicht etwa eine Parteizeitung) griff Österreich schwerstens an:

So schreibt es, daß der Status der immerwährenden Neutralität nicht den Wünschen mancher Leute sowohl außerhalb der Republik als auch in Österreich selbst entspricht. Unter einem Einfluß von außen versuchen Kreise innerhalb des Landes, Österreich vom gewählten Weg abzubringen. Es existieren, so schreibt die „Iwestija“, verschiedene „Deutungen“ des Neuitralitätsgeset-zes, welche die immerwährende Neutralität aushohlen wollen. Dieses Ziel verfolge auch die Offensive des westdeutschen Kapitals gegen die österreichische Wirtschaft. Und unter Anspielung auf Österreichs letzten Staatsgast, Deutschlands Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger, sagt das sowjetische Regierungsorgan: „Politiker am Rhein versuchen, Österreich in eine Lage zu bringen, in der es dem Land immer schwerer fällt, den Weg der Neutralität zu gehen.“ Angesichts einer solcher Diffamierung Österreichs und einer bewußten Fehlinterpretation eines höchst korrekten Staatsbesuches kann die Folgerung nicht ausbleiben, die Wien zu ziehen hat:

Sicherheitskonferenzen mögen gut und wertvoll sein, wer immer sie auch vorschlägt. Versuche aber, die Einberufung solcher Konferenzen durch Einschüchterung von Kleinstaaten zu beschleunigen oder deren Meinung zu beeinflussen, sind ebenso fruchtlos wie Vorschläge, von denen man von Haus aus weiß, daß sie nur Propagandarummel sein sollen und nicht ernsthafte Ergebnisse erzielen können. Die Sicherheit Europas ist nämlich vor allem durch den Umstand bedroht, daß am 21. August 1968 ein kleiner europäischer Staat gegen seinen Willen militärisch besetzt wurde und seither politisch erpreßt wird.

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