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Warum Brüssel keine Bilder liefert - und andere Blitzlichter von den Alpbacher Mediengesprächen 2004.

Ungarn hat sich seit 1989 geöffnet, Österreich schottet sich seither ab: Auf diese Formel brachte Ernst Gelegs, ORF-Korrespondent in Budapest, das Verhältnis der Nachbarländer: Auch bei den Alpbacher Mediengesprächen ging es ums Thema Grenzen und Grenzüberschreitungen: Dabei sei das Österreich-Bild in Ungarn das eines Freundes, so Gelegs weiter: Auch dass in Ungarn manche Politik Österreichs als "Tritt von einem Freund" empfunden werde, könne dem nichts anhaben. Gelegs nannte die siebenjährige Übergangsfrist, bis der heimische Arbeitsmarkt auch für Ungarn geöffnet wird, als Beispiel für solch einen "unfreundlichen" Akt.

Regierungskrisen medial

Grenzen hinterlassen so auch in den Medien ihre - jeweils unterschiedlichen - Spuren: Gelegs sprach die Berichterstattung über die österreichische Regierungskrise nach Knittelfeld 2002 an: Die sei in Ungarn tagelang Thema auf den Titelseiten gewesen. Umgekehrt gelte das bei weitem nicht: Als in den letzten Tagen in Ungarn der Ministerpräsident stürzte, sei in Österreich schon darüber berichtet worden - aber kaum auf den Titelseiten oder in den Headlines.

Austausch zwischen nationalen medialen Wirklichkeiten war auch heuer bei den Mediengespräche n angesagt. Nach der EU-Erweiterung kam da einmal mehr die Lage in den neuen und alten EU-Ländern aufs Tapet. Bei allen Unterschieden fanden sich da viele Parallelen: So resümierte der slowakische Publizist FrantiÇsek Novosad über Qualitätsjournalismus in seinem Land: In der Slowakei fänden - unter doppeltem Druck von Politik und Kommerz - sich kritische Journalisten immer mehr marginalisiert. Solche Erfahrungen gab es - im Grundsatz - in Ost wie in West.

"Brüssel ist nicht sexy"

Grenzüberschreitung in Europa heißt auch, die Barrieren zwischen der EU-Zentrale in Brüssel und der jeweiligen lokalen/nationalen Wirklichkeit zu überwinden. Kein leichtes Unterfangen, wie Roland Adrowitzer, ORF-Mann in Brüssel glaubhaft machen konnte. "Brüssel ist nicht sexy - graue Menschen steigen aus grauen Autos und verschwinden in grauen Häusern": So charakterisierte Adrowitzer das Elend des TV-Journalisten, der kräftige Bilder braucht, um seine Information zu vermitteln. Dass da - etwa bei Agrarthemen - immer dieselben Kuh-Bilder oder dieselben Aufnahmen eines polnischen Traktors verwendet würden, befriedige weder die TV-Macher noch wecke es sonderliches Interesse bei den Zuschauern.

Angesichts solcher Befunde war das Thema der letzten Diskussionsrunde in Alpbach, nämlich wie es zur einer "europäischen Öffentlichkeit" kommen könne, besonders wichtig. Der Weg dorthin sei aber, so Heik Afheldt vom deutschen Medienkonzern Holtzbrinck, noch sehr lang: Es gebe ja kein "europäisches" Medium - die Tageszeitung The European etwa sei ja schon vor Jahren gescheitert. Afheldt konstatierte, dass die Europa-Berichterstattung vor Ort fast immer unter nationalen Gesichtspunkten erfolge und überdies nur einen Bruchteil der Berichterstattung ausmache: Da könne eine europäische Öffentlichkeit schwerlich entstehen.

Am ehesten sieht Afheldt die heutigen Finanz- und Wirtschaftsmedien als Grenzüberschreiter - oder auch den Euro, der als verbindendes Element in Europa viel mehr eine emotionale denn eine ökonomische Rolle spiele: Europa würde aber viel mehr solcher "Ikonen" benötigen. Immerhin beginnt durch das Englische als Lingua franca Europas doch so etwas wie eine europäische Öffentlichkeit. Tatsache sei auch, dass - trotz des Scheiterns, europäische Medien zu etablieren - Medienhäuser sich vernetzen und grenzüberschreitend tätig werden - insbesondere nach (Süd-)Osteuropa hin. Ob diese meist von kapitalkräftigen Ländern in die Reformstaaten gehenden Expansionen auch zum gemeinsamen Europabewusstsein beitragen würden, lässt sich zur Zeit aber noch kaum abschätzen.

Im Ausland heimisch

"Wenn ich nach Warschau, Berlin, Paris oder Madrid reise, bin ich im Ausland, doch auch zu Hause. Dieses Sich-im-Ausland-heimisch'-Fühlen ist das Wesen und Wunder Europas." Solchem Befund des englischen Historikers Timothy Garton Ash, der sich letzten Samstag in der Tageszeitung Die Presse fand, mochte sich auch Holtzbrinck-Mann Afheldt anschließen.

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