Kritik des reaktionären Katholizismus VI: der Paternalismus. Das ist ein eher sanfter, aber weit verbreiteter kirchlicher Habitus. Er beherrscht den kirchlichen Alltag, dessen Sprache und Mentalitäten immer noch bis in die Finger-Spitzen. Er ist so schwer zu bekämpfen, weil er es gut meint.
Seine Haltung ist leicht zu beschrieben: "Ich will dein Bestes -und ich kenne es besser als du". Das degradiert den anderen zum Objekt subtiler pastoraler Machtausübung, stellt ungeprüft die eigene Person über jene der anderen und zerstört die notwendige Gleichrangigkeit der Kommunikation. Der andere darf vielleicht "mitreden"; ihm wird Eigenständigkeit "gewährt" - unter Vorbehalt und Aufsicht.
Das Priester-Laien- und das Männer-Frauen-Verhältnis ist in der katholischen Kirche noch ziemlich paternalistisch geprägt. Deswegen fliehen jene Laien, jene Frauen, die das nicht mehr akzeptieren, aus jenen kirchlichen Sozialräumen, wo der Paternalismus noch herrscht. Denn er macht andere zu Kindern. Wenn man das nicht mehr ist und auch nicht mehr sein will, muss man gehen.
Nun ist es ja tatsächlich so, dass wir nicht immer wissen, was das Beste für uns ist und andere dazu brauchen, um es zu erkennen. Aber diese anderen helfen nur, wenn sie auf Augenhöhe sprechen und wirkliche Freiheit lassen, Freiheit ermöglichen, auch ihnen selbst gegenüber, ja wenn sie sich an der Freiheit der anderen erfreuen. Deshalb: Schon wo freundlich-herablassendes Bemühen spürbar ist - "Wir wollen den Menschen nahe sein" - läuft etwas schief.
Gott, der alles Recht und alle Macht dazu hätte, geht übrigens nicht paternalistisch mit uns um. Er lässt uns alle Freiheit und hat sich ihr sogar ausgeliefert: Einer der stärksten Gründe, an ihn glauben zu können.
Der Autor ist katholischer Pastoraltheologe an der Universität Graz
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