Jeder Muslim will dabei sein

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Fuat Sanaç, der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft, fastet seit seinem fünften Lebensjahr. Nur ein einziges Mal hat er nicht bis zum Sonnenuntergang durchgehalten.

Bloß ein einziges Mal hat Fuat Sanaç das Fasten-Gebot im Ramadan in seinen 57 Lebensjahren missachtet: "Als ich noch ein Kind war“, erzählt der neue Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich der FURCHE, "habe ich einmal fünf Minuten vor dem Fastenbrechen eine Süßigkeit gegessen.“

Wenn Sanaç über den Ramadan spricht, dann hören sich seine Aussagen an wie aus dem Lehrbuch. Das Fasten setze eine verborgene Kraft in ihm frei, meint er zum Beispiel. Er empfinde tiefes Mitgefühl mit Menschen in aller Welt, denen es am Notwendigsten fehle. Er versuche, ruhiger und besonnener zu leben als sonst. Sanaç hält den Ramadan mit allem, was dazu gehört, seit seinem fünften Lebensjahr ein. "Fasten heißt, vom frühen Morgen bis zum Sonnenuntergang auf Essen, Trinken, Rauchen, jedwede geschlechtliche Handlung und alle Arten von Injektionen zu verzichten. Auch soll man sich von übler Nachrede, Klatsch, Streit, unangemessenem Verhalten und schlechten Taten fernhalten. Daran versuche ich mich zu halten“, sagt der Präsident - und diesmal zitiert er tatsächlich aus seinem selbst verfassten Lehrbuch für den muslimischen Religionsunterricht. Darüber hinaus, erzählt er, bete er zusätzlich zu den "normalen“ Gebeten in jeder Nacht des Ramadan das freiwillige Tarawih-Gebet - meist zusammen mit anderen beim täglichen Fastenbrechen.

Unbeschreibliche Atmosphäre beim Iftar

Das Iftar-Mahl, das jeden Tag nach Sonnenuntergang stattfindet, zelebriert Sanaç nach muslimischer Tradition so oft wie möglich in Gesellschaft. Es sei immer auch Gelegenheit, neue Menschen kennenzulernen, weil es Leute verschiedener sozialer Herkunft und unterschiedlicher Berufsstände zusammenbringe. Als "unbeschreiblich“ bezeichnet er die Atmosphäre am Iftar-Tisch. Für den IGGiÖ-Präsidenten bedeutet das tägliche Fastenbrechen aber nicht nur Geselligkeit und Entspannung, sondern auch Stress: Schon vor Beginn des Ramadans seien alle Abende verplant - nur drei von ihnen verbringt Sanaç im Kreis seiner Familie und der engsten Freunde.

Trotzdem falle ihm das Fasten keineswegs schwer, sagt der Präsident und verweist auf die "neue Stimmung der Gottergebenheit“, die er im Ramadan spüre. Selbst als er in Studentenzeiten den ganzen Sommer über in einer Bäckerei gearbeitet habe sowie in seiner Zeit als Profiboxer in der Türkei sei das trotz körperlicher Anstrengung nicht anders gewesen. "Das Fasten ist eine Art Vertrag zwischen Gott und seinem Diener. Man bricht den Vertrag auch dann nicht, wenn niemand hinschaut“, erläutert Sanaç: "Mit dieser Überzeugung habe ich in jedem Ramadan trainiert. Meine besten Kämpfe habe ich in dieser Zeit gehabt.“ Durst, Hunger und zeitweise sogar Kopfschmerzen seien zwar vor allem am Anfang des Monats immer wieder zu spüren, aber "wir können ja gar nicht begreifen, was Durst oder Hunger überhaupt bedeuten, wenn wir es nicht am eigenen Leib gespürt haben. Das Fasten hilft mir zu sehen, was Gott mir geschenkt hat.“

Das strenge Festhalten am Fasten-Gebot im Ramadan sei für Österreichs Muslime durchaus symptomatisch. Von den fünf Säulen des Islam ist es ihnen offenbar am wichtigsten: 83 Prozent der österreichischen Muslime fasten laut dem jüngsten Forschungsbericht des Religionssoziologen Paul M. Zulehner, der unter dem Titel "Verbuntung“ erschienen ist, im Ramadan. Selbst von jenen 25 Prozent der Muslime, die Zulehner als "Säkulare“ einstuft, halten sich mehr als die Hälfte ans Fastengebot.

Sanaç erklärt dies damit, dass es in jeder Religion Dinge gebe, die selbst für jene Menschen, die sich von der Religion entfernten, eine Bedeutung haben. Als Beispiel nennt er die Bräuche rund um die christlichen Hochfeste Ostern und Weihnachten. Ähnlich sei es auch beim Ramadan. "Da will einfach jeder Muslim dabei sein.“ Er achte nicht darauf, ob Menschen fromm seien oder nicht, sondern auf ihre Menschlichkeit, Gerechtigkeit, Korrektheit: "Ich arbeite, um den Menschen das Leben zu erleichtern, nicht um sie religiös zu machen.“

Als religiöses Vorbild will Sanaç, bei aller Disziplin, die er selbst an den Tag legt, nicht gesehen werden: "Ich habe nie versucht, Vorbild zu sein. - Ich bin so, wie ich bin.“

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