Keine Untertreibung oder Übertreibung des Islam

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Erwartungsgemäß wurde Fuat Sanaç, türkischstämmiger Leiter des Islamischen Schulamtes, zum Präsidenten der Islamischen Glaubensgemeinschaft gewählt. Österreichs neuer "oberster Muslim“ im FURCHE-Gespräch.

Letzten Sonntag fand der Wechsel statt: Mit Fuat Sanaç übernahm der Favorit das Ruder in der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich.

Die Furche: Die Medien haben in den letzten Tagen viel über Sie geschrieben: Fühlen Sie sich da eher verstanden oder unverstanden?

Fuat Sanaç: Ich bin so, wie ich bin, und respektiere alle, die über mich geschrieben haben. Im Großen und Ganzen bin ich den österreichischen Journalisten dankbar.

Die Furche: Auch dafür, dass eine Tageszeitung mit Ihrer Aussage: "Strache ist ein guter Mensch“ getitelt hat?

Sanaç: Das war nur ein Nebensatz im Interview - aber das war vor meiner Wahl. Als Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft werde ich mich nicht mehr zu einzelnen Politikern äußern.

Die Furche: Sie werden dennoch zur Politik Stellung nehmen müssen, auch die Islamische Glaubensgemeinschaft ist Teil von ihr.

Sanaç: Wenn es allgemein über die Muslime in Österreich, um die Rechte der Muslime oder der Menschheit geht, dann werden wir natürlich etwas sagen. Aber ich werde mich nicht jeden Tag über diesen Herrn Politiker oder diese Frau Politikerin äußern. Außerdem: Wir müssen alle Menschen lieben, weil sie Geschöpfe Gottes sind. Wenn ich sage, dass jemand ein guter Mensch ist, meine ich: Der Mensch ist grundsätzlich als guter Mensch erschaffen worden.

Die Furche: Es gibt aber abseits konkreter Personen doch Wünsche der Muslime an die Politik oder an die Öffentlichkeit.

Sanaç: Es gibt da zuständige Behörden, das ist in Österreich gut geregelt. Wenn wir Bedürfnisse haben, dann sprechen wir mit diesen. Natürlich geht es ohne Politik nicht. Die ist ein Teil des Lebens. Aber ich will mich nicht jedes Mal auf Äußerungen eines Parteichefs einlassen. Es es gibt auch Dinge, die man mit uns bespricht. Etwa bei den Terrorgesetzen - und da haben wir der Ministerin unsere Meinung dargelegt.

Die Furche: Wie ist Ihr Verhältnis zu den anderen Religionen?

Sanaç: Wir leben in einem christlichen Land. Natürlich haben wir da Kontakte zu den Christen. In den Schulen und Moscheen gibt es immer wieder Veranstaltungen dazu. Wir leben in dieser Gesellschaft, und wir müssen miteinander zu tun haben.

Die Furche: Gibt es auch gemeinsame Anliegen mit Christen?

Sanaç: Wir sollten auch über unsere Unterschiede reden. Das ist vielleicht noch wichtiger. Bei den Gemeinsamkeiten gibt es keine Probleme, bei den Unterschieden tauchen die Probleme auf. Wir müssen also die Unterschiede kennenlernen und respektieren. Wir versuchen unser Bestes, zwischen den Menschen Harmonie herzustellen - ob sie nun Muslime oder Christen sind. Als Menschen brauchen wir uns gegenseitig.

Die Furche: Unmittelbar vor Ihrer Wahl gab es einen Wirbel um eine Äußerung des damaligen Vizepräsidenten Hamidi zum Schwimmunterricht von Mädchen.

Sanaç: Ich glaube, das ist ein wenig hochgespielt worden.

Die Furche: Aber zeigt das nicht auch, wie islamische Vorschriften auf Unverständnis stoßen?

Sanaç: In den 30 Jahren, seit ich in Österreich bin, gab es des Öfteren kleinere Konflikte, die aber immer gelöst werden konnten. Wenn es also kein Problem gegeben hat, warum müssen wir unbedingt daraus eine Geschichte machen?

Die Furche: Verstehe ich Sie richtig: Wenn es ein derartiges Problem gegeben hat, dann konnte man es - wie man bei uns sagt - "auf dem kleinen Dienstweg“ lösen?

Sanaç: Ja. Durch Dialog kann man alles lösen. Wir sind eine zivilisierte Gesellschaft, in der löst man Probleme durch Dialog. Mitunter habe ich schon das Gefühl, dass manche einen Konflikt schaffen wollen. Aber die Menschen zu verunsichern, bringt niemandem etwas.

Die Furche: Erleichtert das System der Islamischen Glaubensgemeinschaft, wie es in Österreich besteht, das Verhältnis von den Muslimen zur Gesellschaft?

Sanaç: Österreich ist ein Musterland, was die Religionsfreiheit betrifft. Es spielt eine Vorreiterrolle. Wir wollen, dass dieses Modell in ganz Europa verbreitet wird.

Die Furche: Aber es gab lange den Vorwurf, die Glaubensgemeinschaft sei nicht repräsentativ.

Sanaç: Bei den Wahlen vor zwölf Jahren gab es etwa für Wien, Niederösterreich und das Burgenland nur ein Wahllokal. Doch das ist nun geändert. Wir haben uns nun erneut "legalisiert“.

Die Furche: Jetzt sind die Türken in der Glaubensgemeinschaft die Mehrheit, zuvor waren vor allem arabische Muslime sichtbar.

Sanaç: Wir wollen nicht mehr über Ethnien sprechen. Ich lege Wert darauf: Wir sind österreichische Muslime wollen als solche anerkannt werden.

Die Furche: Wie ist das Zueinander der verschiedenen Strömungen unter den Muslimen in der Glaubensgemeinschaft - es gibt ja Sunniten, Schiiten oder "liberale“ Muslime? Kann man die unter einen Hut bringen?

Sanaç: Das war schon ja schon bisher möglich! Es hat wohl immer einige wenige Personen gegeben, die versucht haben, die Islamische Glaubensgemeinschaft schlecht zu machen. Da sind fünf Leute, die gründen eine Verein …

Die Furche: … sprechen Sie da die Initiative Liberaler Muslime an, die heute wieder mit Forderungen an Sie ausgeschickt hat?

Sanaç: Ich spreche allgemein. "Liberal“ ist eigentlich eine politische Darstellung. Es gibt nur einen Islam. Und im Islam ist jede Übertreibung und jede Untertreibung verpönt. Man kann nicht sagen: Im Koran steht das, aber ich glaube nicht daran. Das meine ich mit "Untertreibung“. Wenn man umgekehrt sagt, alle Nichtmuslime sind Ketzer und müssen bestraft werden, dann ist das eine Übertreibung der Religion. Der Islam ist ein Mittelweg: Man muss in der Mitte bleiben und alle Menschen respektieren.

* Das Gespräch führte Otto Friedrich

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