Ein Land für die Moros

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nach 40 Jahren krieg kehrt Frieden ein. Mit Unterstützung aus Österreich planen die Christen und Moslems auf den Philippinen ihre Zukunft.

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nach 40 Jahren krieg kehrt Frieden ein. Mit Unterstützung aus Österreich planen die Christen und Moslems auf den Philippinen ihre Zukunft.

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Friede und Entwicklung können die Gestalt einer Brücke haben. Die Betonbrücke, die über den Rio Grande de Mindanao gebaut wird, soll den Bauern von Nabundas erlauben, ihre Ernte vom Feld auf den Markt zu bringen. Die wackelige Holzbrücke, die bisher über den Fluss führte, wurde schon Kindern zum Verhängnis. Für Mopedfahrer ist sie eine Herausforderung.

Abdullah Guiamandal bewältigt diese Herausforderung problemlos. Der lokale Kommandant der Moro Islamic Liberation Front (MILF) wirkt mit seinen 62 Jahren noch immer durchtrainiert und allen Strapazen gewachsen. Aber er freut sich über den Frieden, den seine Organisation vergangenen März mit der Regierung der Philippinen geschlossen hat. Er beendet mehr als vier Jahrzehnte bewaffneter Auseinandersetzungen zwischen der Armee und muslimischen Rebellen auf der Insel Mindanao, der zweitgrößten im ostasiatischen Archipel. Die Dörfer unter seinem Kommando werden künftig in einem Autonomiegebiet liegen: Bangsamoro - Land der Moros - wird es heißen. Moros, also Mauren, das ist der Name, den die Spanier den muslimischen Einwohnern der Insel gaben, als sie die Philippinen vor viereinhalb Jahrhunderten in Besitz nahmen. Unterwerfen konnten sie sie nicht. Erst als die USA die Philippinen 1898 übernahmen, begann die Eroberung der Insel Mindanao. Nicht nur mit dem Schwert, sondern auch durch gezielten Zuzug christlicher Siedlerfamilien aus den Visayas, der Inselgruppe, die zwischen der Hauptinsel Luzon und Mindanao liegt. Landlose und Taglöhner, die sich in sklavenähnlichen Arbeitsverhältnissen auf den Zuckerplantagen der Großgrundbesitzer verdingten, bekamen ein paar Hektar Land auf Mindanao zugewiesen.

Paramilitärischer Terror

"Anfangs begrüßten die muslimischen Bauern die Neuankömmlinge", weiß Pater Bert Layson, der selbst als elfjähriges Kind mit den Eltern von der Insel Negros zuwanderte und jetzt der Pfarre der Stadt Pikit in Zentralmindanao vorsteht. Die Stimmung schlug allerdings um, als die Siedler nicht mehr unerschlossenes Brachland beanspruchten, sondern den Muslimen deren Ackerland durch Tricks und Gewalt wegzunehmen begannen. Erst mit den Siedlern wurde das Grundbuch eingeführt. Und wer seinen Landtitel eintragen ließ, konnte den bisherigen Besitzer vertreiben. Von Diktator Ferdinand Marcos in Manila wurde das gefördert. In den frühen 1970er-Jahren eskalierte die Gewalt. Christliche Siedler organisierten sich in der paramilitärischen Terrorgruppe Ilaga und fielen über muslimische Dörfer her. Man erinnert sich an schreckliche Massaker und abgehackte Gliedmaßen. Die muslimischen Barracudas überfielen dann ihrerseits christliche Siedlungen.

Gaddafi vermittelte

Während in den Dörfern der Bürgerkrieg tobte, formierte sich an den Unis in Manila die Moro National Liberation Front (MNLF), eine muslimische Guerilla, die nicht von religiösem Eifer angetrieben war, sondern sich an der kubanischen Revolution orientierte. Ziel war es, die Diskriminierung der muslimischen Bevölkerung von Mindanao durch die Unabhängigkeit der Insel zu beenden. Noch unter Marcos vermittelte Libyens Diktator Gaddafi ein Abkommen, das 1976 in Tripolis besiegelt wurde. Es verschaffte MNLF- Kommandanten einflußreiche Posten und brachte die Korruption zum Blühen. Darauf spaltete sich ein Teil der Guerilla ab und gründete die Moro Islamic Liberation Front (MILF), die den Kampf fortsetzte.

Mike Alon verleugnet seine Vergangenheit in den Reihen der MILF nicht. Die Ursachen des bewaffneten Kampfes seien noch nicht beseitigt. Aber heute setzt er sich mit friedlichen Mitteln für sozialen und wirtschaftlichen Wandel ein. Seine Integrierte Vereinigung für die Ureinwohner von Mindanao (IMAN) finanziert Projekte in Dörfern, die im autonomen Bangsamoro liegen werden: etwa die Brücke von Nabundas, Ausbildung für Führungspersönlichkeiten oder Organisationsentwicklung. In dieser Arbeit wird IMAN von der österreichischen Dreikönigsaktion (DKA) unterstützt. Denn diese Arbeit dient nicht zuletzt dem Zusammenleben von Muslimen und Christen. So wie die Aktivitäten der OMI des Oblatenordens von Pater Bert Layson, die ebenfalls von der DKA gefördert werden. "Die wichtigste Ursache für Gewalt ist Unwissen", sagt Pater Bert, "die Leute kennen ihre Geschichte nicht". Denn in den Geschichtsbüchern stehe nicht, warum die MILF die Regierung bekämpft hat. Armee und Regierung haben inzwischen die Ungerechtigkeiten eingestanden. "Die Geschichte können wir nicht mehr korrigieren", seufzt Bert Layson. Heute müsse man damit zurecht kommen, dass Mindanao eben verschiedenen Bevölkerungsgruppen gehöre. Von den 19 Millionen Einwohnern sind nur mehr etwa 20 Prozent Muslime. Weitere fünf Prozent sind Indigene.

Pater Bert, wie ihn alle nennen, wird von der christlichen und muslimischen Bevölkerung gleichermaßen geschätzt, spätestens, als die Armee im Jahr 2000 eine Großoffensive gegen die Moro-Rebellen entfesselte. Die Kämpfer, so müsse man wissen, lebten die meiste Zeit bei ihren Familien. Deswegen galten die Dörfer als Rebellen-Camps. "Wir erfuhren mitten in der Nacht, dass ein Angriff auf ein Dorf bevorstand", erinnert sich Bert Layson, "also rückten wir aus, um die Familien in Sicherheit zu bringen". Die Armee war damit einverstanden, solange keine bewaffneten Kämpfer herausgeschmuggelt wurden. "Wir sind unparteiisch", stellt Pater Bert klar, "Es geht uns nur darum, im Krieg die Menschlichkeit zu wahren. Und das heißt, das Leben der Zivilbevölkerung zu schützen".

Das lange Warten

Monatelang lagerten hunderte muslimische Familien auf dem Sportplatz der Kirche, wurden verpflegt und versorgt. Trotzdem konnte nicht verhindert werden, dass viele Kinder krank wurden und starben. "Krieg löst keine Konflikte", ist Bert Layson überzeugt. Er schaffe nur Leid und Elend. Aber er ist optimistisch, dass nach zahlreichen gescheiterten Versuchen jetzt wirklich Friede in Minadano einkehren kann. "Jetzt wird nicht gleich geschossen, sondern zuerst geredet", freut er sich.

Die Offiziere der Armee haben die Handynummern der MILF-Kommandanten. Und wenn es ein Problem gibt, dann rufen sie zuerst an. Der Waffenstillstand seit März hat aber gehalten. Nur eine kleine radikale Gruppe, die noch immer an der Unabhängigkeit festhält, führt den bewaffneten Kampf weiter. Die Bangsamoro Islamic Freedom Fighters (BIFF) sympathisieren mit dem IS in Syrien und Irak und lehnen das Autonomieabkommen ab. Ihre Entwaffnung wird Aufgabe der künftigen Bangsamoro-Polizei sein.

Der Zeitplan für die Umsetzung des Autonomieplans ist knapp: nächstes Jahr müssen der Kongress in Manila und eine regionale Volksabstimmung das Übereinkommen absegnen. Im ersten Halbjahr 2016 soll das autonome Parlament gewählt werden. Präsident Benigno Aquino will Tatsachen schaffen, bevor er 2016 aus dem Amt scheidet. Denn die Politik der Philippinen garantiert keine Kontinuität. Keiner weiß, ob der nächste Staatschef die Friedenspolitik fortsetzt. Pater Bert Layson: "Wenn der Friedensplan scheitert, dann werden die alten Kommandanten nichts mehr zu reden haben". Die Anführer von MILF und MNLF sind jenseits der 60. Wenn sie abtreten, dann folgt eine Generation, die politisch wie religiös radikaler ist. Dann stünden die Zeichen wieder auf Krieg.

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