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Weit reicht der Arm des libyschen Ghadaffi

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Es wäre offenbar falsch, den Einfluß, den die Islamische Arabische Republik Libyen, seit Aufhebung der Verfassung im Jahre 1969 eine Diktatur unter dem Staatspräsidenten Oberst Omar el Ghadaffi (der Name wird in unserer Schrift immer wieder anders buchstabiert, vor allem von Völkern, die kein „Ch“ auszusprechen vermögen: Kadhafi, Gadaffi, Gadhafi, Gha- dafi), auf die islamische Welt ebenso wie auf die arabische Welt ausübt, zu unterschätzen. Das katholische, ethnisch und sprachlich aber halb und halb arabische Malta des Dom Mintoff ist nicht das einzige Beispiel hiefür. Mit einer von niemandem erwarteten Weihnachtsamnestie für die islamische Bevölkerung und die Befreiungsfront auf den Südphilippinen (besonders auf Süd-Mindanao und den Sulu- Inseln) hat sich der durch einen Staatsstreich unter Kriegsrechtserklärung zum Diktator gewordene Staatspräsident Fernando E. Marcos auf Veranlassung des Präsidenten Ghadaffi dazu entschlossen, mit den Rebellen im Süden zu einer Einigung zu gelangen.

Seit Anfang 1970 haben sich innerhalb der mohammedanischen Bevölkerung der Südphilippinen, die an die drei Millionen Menschen umfaßt, gegen den wirtschaftlichen und politischen Terror der Regierung Marcos vor allem deshalb erhoben, weil Marcos die Moslim in ihrer Religionsausübung behinderte und eine solche möglichst unterdrückte. Gewiß, Moslim sind Mitglieder des Appellationsgerichtshofes und es wurden relativ beträchtliche Geldmittel in Entwicklungsprojekte auf Mindanao und Sulu investiert, angeblich sogar relativ viel mehr als in die anderen Territorien (die Moslim machen nur 5 Prozent der insgesamt 45 Millionen Einwohner des Gesamtstaates aus). Auf Mindanao und Sulu sowie Jolo (Lupah-Sug) und

Basilan entstand eine Befreiungsbewegung, die Nationale Moro-Freiheits- front (MNLF), die sich bald auch eine schlagkräftige Guerillaarmee schuf, die Bangsa-Moro-Armee (BMA). Es kam zu schweren Kämpfen zwischen muselmanischen Bauern und christlichen, aus dem Norden eingeschleusten Siedlern. Obwohl die Regierung auch im Norden (Luzon) Aufstände zu unterdrücken hatte, wandte sie sich in erster Linie dem Kampf gegen die fanatischen Moro-Freiheitskämpfer im Süden zu und bezeichnete diese als Kommunisten. Tatsächlich sind sie das offenbar nicht, denn Moskau, das sonst doch jede Befreiungsbewegung in aller Welt unterstützt, hat zugunsten der MNLF nicht das geringste getan, obwohl Präsident Marcos eigentlich nur von der US-amerikanischen Unterstützung lebt (Die USA haben auf den Philippinen bedeutende Luft- und Flottenstützpunkte und mit den Philippinen einen Handelsvertrag, durch den der Zuckerpreis extrem niedrig gehalten wird.)

Seit 1970 tobt auf den Südphilippi- nen ein gnadenloser Krieg, in welchem die Regierungstruppen nur die größeren Städte (Jolo, Zamboanga, Davao) und einen Flughafen zu halten vermochten, während zwei Provinzen nur von den Moslim-Verbänden kontrolliert werden und im übrigen die Regierung kaum irgendeinen Einfluß hat.

Die Tatsache, daß die Kämpfe, die ungeheure Blutopfer kosteten, sich nicht nicht zuletzt zufolge der Gegensätze zwischen den die Mehrheit bildenden Christen und einer Moslim- Bevölkerung entwickelten, führte zu einer für Marcos offenbar unerwarteten Solidarität arabischer Staaten zugunsten der Moros. Auf einer Konferenz in Kuala Lumpur wurde die berühmte Resolution Nr. 18 von den 38 dort vertretenen arabischen Staaten beschlossen. Dieser Resolution zu folge sollte den Philippinen kein Erdöl mehr geliefert werden, solange sie die Moslim nicht besser behandelten. Vor rund zwei Jahren (Jänner 1975) organisierte Saudi-Arabien in Djeddah Verhandlungen zwischen der MNLF und einem Vertreter der philippinischen Regierung, wodurch der Konflikt internationalisiert wurde. Die Moslim-Vertreter forderten vollkommene Autonomie auf bundesstaatlicher oder sogar nur noch staatenbund- licher Basis, nur die Außenpolitik sollte gemeinsam sein. Das führte zum Scheitern der Verhandlungen und der grausame Krieg nahm seinen Fortgang, nicht ohne militärische Unterstützung der Moros vom benachbarten mohammedanischen malaysischen Bundesstaat Sabah aus. Nun aber schlug die Stunde für das Einschreiten Ghadaffis. Er erklärte, die mohammedanischen Staaten könnten nicht länger mehr Zusehen, die Philippinen bekämen kein Erdöl mehr und berief am 17. November 1976 nach Tripolis eine Konferenz zwischen der Regierung Marcos und der muselmanischen Befreiungsfront ein. Schließlich Unterzeichnete der libysche Delegierte Ali Abdussalam Frekki, dieser auch für die mohammedanische Befreiungsfront, gemeinsam mit der Vertreterin der Philippinen, Imelda Romualdez Marcos, einen Vertrag, wonach in Kürze eine Reihe von Maßnahmen zu treffen seien, zunächst eine vollständige Amnestie für alle Aufständischen, dann, nach weiteren Verhandlungen, die auf Moro stattfinden sollen, die allmähliche Errichtung eines mosli- mischen Teilstaates. Die Amnestie ist bereits verwirklicht. Die anderen Regelungen könnten noch auf sich warten lassen, es sei denn, Ghadaffi spielt weiter den mit Druckmitteln ausgestatteten Vermittler.

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