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Der Dom von Syrakus

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Reinlinige dorische Säulen aus nacktem sizilianischem Kalksten, die zweieinhalb Jahrtausende alt sind, tragen auf ihrem schmucklosen Kapital das byzantinische Dach einer katholisdien Basilika.

In dem rohen, ungetünditen Mauerwerk, das den Lidit- und Luftraum zwisdien den Säulen ausfüllt, kleine byzantinische, buntglasige Fenster. Oben, als Abschluß der Mauer, eine mittelalterliche Zinne, die dem Gebäude das Aussehen einer Ritterburg gibt, und unten hohe, verwitterte Stufen, die zur Kirche emporführen.

Hochaltar und Fassade im Barock des 18. Jahrhundert. Rechts und links vom Hochaltar zwei moderne Bilder des Garim-berte aus Rom. Uber dem Presbyterium ein modern kassettiertes Dach aus braunem und vergoldetem Holz.

Dies: der Dom von Syrakus, der nach nahezu dreijährigen Restaurierungen wieder dem Gottesdienst ersdilossen wurde.

Sinnbildlich für den Dom ist das Taufbecken in der Taufkapelle: auf einem mit Relief? geschmmkten normannischen Sockel erhebt sich, von sieben kleinen byzantinisdien Löwen gestützt, eine zweihenkelige griechische Vase, die mit Weihwasser angefüllt ist.

Und sinnbildlich ist der Dom selbst wieder für die Geschichte von Syrakus.

Im 5. Jahrhundert v. Chr., etliche Jahre vor Erbauung des Parthenons, wird in Syrakus, einer Kolonie Korinths, der Güttin Minerva auf der Insel Ortygia ein Tempel errichtet: reinlinige dorische Säulen aus sizilianischem Kalkstein umschließen und hüten das Heiligtum viele Hunderte von Jahren.

Christus wird geboren. Martianus, Freund und Schüler des Petrus, wird von diesem mit der Gründung einer Kirche in Syrakus betraut. Es ist dies die zweite Kirche nach Antiochia und die erste auf dem Boden des Okzidents. Martianus bezieht in Syrakus, das von Rom regiert wird, die in der Nähe der Klippen gelegenen Katakomben von San Giovanni, die mit Kostbarkeiten und Kunstwerken ausgeschmückt waren. In diesen Katakomben horchten die versammelten Christen in drei aufeinanderfolgenden Tagen den Worten des Apostels Paulus. Martianus stirbt den Märtyrertod.

Noch muß das Christentum sich im Schoß der Erde verbergen, noch leuchtet weithin über das Meer der Tempel der heidnischen Göttin Minerva.

Im 7. Jahrhundert n. Chr. — Syrakus befand sich damals unter byzantinischer Herrschaft — sind die Zeiten kriegcrisdi, und da die Katakomben allen plünderungslustigen Piraten leicht erreichbar sind, besdiließt Bi-sdiof Zosimo, mit seiner Kirche in den Tempel der Minerva auf der stark befestigten Insel Ortygia zu übersiedeln. Fr läßt den Raum zwischen den Säulen mit Mauern aus gelbem sizilianischem Kalkstein ausfüllen und schafft so eine dreischilfige Basilika mit byzantinischem Dach und byzantinischen Fenstern. Unter den Normannen, die im 11. Jahrhundert Syrakus erobern, erhält der Dom eine neue Fassade. Erdbeben kommen und rütteln am Gemäuer der Kirche. Säulen bersten, Didier stürzen ein, spurlos verschwindet die Fassade. Eifrige Hände sind bemüht, die Schäden wieder gutzumachen. Doch die Mittel sind spärlich und der Geschmack des Mittelalters nicht immer ein guter. In falsch verstandener Frömmigkeit will man alles, was an das Heidentum erinnert, unter Tünche, Stukkaturen und Malereien verbergen. Einem einzigen Architekten, Piccherale, gelingt es, um 1745 eine wirklich schöne Baroekftssade zu errichten.

Und so blieb es bis ins 20, Jahrhundert, bis zu dem Augenblick, da ein neuer Erzbischof von Syrakus, ein Mailänder, die Verwüstungen gewahrte, die künstlerischer Unverstand dem Dom zugefügt hatte. Er und sein Nachfolger machten es sich zu ihrer Lebensaufgabe, den Dom in seiner ursprünglichen Schönheit wiederherzustellen, die verschiedenen Stilarten harmonisch zu verbinden und alles künstlerisch Wertvolle wiederzubeleben.

Und so ist ein sdiöner, eigenartiger Bau entstanden, ein Dom ohne in den Himmel ragende Türme, dessen Mauern und Säulen, you Tündie und Stukkatur befreit, in ursprünglichem Weiß leuchten.

Leider steht der Dom nicht frei da. Stid-und Ostseite sind mit anderen Bauten verbunden. Die Säulen der Nordseite bildeten einen Teil des alten Terhpelperistyls, zu dem die Stufen des Stylobat noch immer emporführen. Die Säulen sind am besten von innen zu sehen, audi die durch das Erdbeben zerstörten. Von einigen ist nur das Kapital übriggeblieben, das zu beiden Seiten der Mauer hervorsdiaut. Eine einzige, gänzlich gebrochene, die östlichste der Nordseite und schon außerhalb der Kirdien-mauer, ist endgültig zerstört.

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