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Eine Spielregel verdirbt alles

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Am Anfang war die Musik, nach vielen legenden der Beligionen erstand die Welt aus Klang. „Kultur und Kult gehören zusammen”, sagt Josef Herowitsch, Pfarrer und Intendant des Musikfestes im burgenländischen Lockenhaus. „Ich bin zuallererst Pfarrer”, aber die Musik ist längst göttliches Mittel auf des Pfarrers Weg, die Menschen Gott näherzubringen.

Das Lockenhauser Musikfest, nach dem Partner Gidon Kremer „Kreme-rata” benannt, findet heuer zum vierzehnten Mal statt, dauert von 29. Juni bis 9. Juli mit einem freien 'lag. Es holt bis zu 100 Musiker ins Burgenland, bietet Sonder- und Zykluskonzerte, die auf jeden Fall etwas Besonderes sind - schon durch die Uberlänge. Eine Karte kostet trotzdem nur 250 Schilling, auch die Restaurants und Hotels in der Umgebung bleiben in der Preisgestaltung moderat.

„Musik ist mir Anliegen und Erfüllung.” Andere Pfarrer sperren die Kirchen für jedwedes Ereignis außerhalb der Liturgie ab, Pfarrer Herowitsch gibt Schubert und Schostako-witsch Gelegenheit, sich in seiner dem heiligen Nikolaus geweihten Kirche zur Geltung zu bringen. Er selbst betet selten so intensiv wie im Auto, auf der Fahrt zu einem Konzert nach Wien. l>ockenhaus habe Bekehrungen bewirkt, viele Konzertbesucher haben über die Weihe des

Hörens in einen neuen Glauben gefunden. Gott will auch einmal wieder etwas Schönes hören, meinte ein Konzertbesucher, aber: „Nicht alle wollen verstehen und meine Arbeit honorieren”, meint Herowitsch.

I^ockenhaus ist das Festival der Ehrenamtlichen. „Wer immer mich fragt, ob er helfen darf, ist willkommen.” Die Tätigkeit aller Organisationen und Helfer ist unbezahlbar -und unbezahlt. Lockenhaus ist der

Kontrapunkt zu Veranstaltungen mit überhöhten Gagen für Künstler, die diese Unsummen auch „gar nicht brauchen” und die in keinem Verhältnis zur Leistung stehen.

„Die Musiker wollen im Herzen zuerst Musik machen”, sagt der Pfarrer. Hier spielen sie abseits der Zwänge von Agenturen und Plattenprodu zenten, was und mit wem sie wollen. Karten in letzte Minute gibt es nicht für jene, die mehr zahlen, sondern für die, die aus der nächsten Umgebung kommen. Lockenhaus ist auch ein Festival des Ortes: Wenn 20 oder 30 Leute von den tausend Seelen des Ortes ins Konzert kommen, können sich diese Verhältniszahlen mit der Millionenstadt Wien nicht messen.

Improvisation war schon ein Leitmotiv des Festivals - „Andeningen sicher, Ergänzungen viele” - heuer ist sie auch musikalisches Thema: „Astraea” nennt sich das Musikerkollektiv um die tartarische Komponistin Sofia Gubaidolina und Viktor und Alexander Susiin, das auf russischen, kaukasischen und asiatischen Instrumenten nach graphischen Partituren improvisiert. „Astraea” mag ein Motto für Lockenhaus sein: Jede Spielregel verdirbt alles, verhindert ein lebendigeres und überzeugenderes Ergebnis. (Auskünfte unter 02616/2072)

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