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Douglas Hydes Weg nach Damaskus
Zahlreich sind die Namen europäischer Intellektueller, die dem Kommunismus den Rücken gekehrt haben. Von Stephen Spender zu Plivier, von Silone zu Köst-ler... eine ähnliche .Technik* der Ernüchterung und Abkehr, glasklare Analysen, die eine gemeinsame Note nicht verleugnen: „The God that failed.* Jeder begabte Schriftsteller könnte heute als literarische tour de force das Buch schreiben, das II ja Ehrenburg oder Bert Brecht verfassen würden, sollten auch sie noch abfallen. Was er nicht hätte schreiben können, ist das Buch Douglas Hydes, des ehemaligen News-Editors des kommunistischen „Daily Worker“. Sprache ohne Glanz und Eigenart, story ohne dramatischen Aufbau, Seite um Seite ohne intellektuellen Anreiz, Worte in grauer, enloser Reihe, in denen sich nur der Alltag englischer Kommunisten spiegelt, der selbst wieder Spiegelbild eines östlichen Alltags ist, Puppentheater viel härterer Wirklichkeit. Dennoch: ein zutiefst bewegendes, ein zutiefst menschliches Dokument!
Wie kam ein Mensch mit einem religiösen (nonkonformistischen) Hintergrund, ausgeprägtem Interesse für mittelalterliche Kultur und bukolischen Neigungen in das Milieu gnadenlosen Klassenhasses und einer neurotisch betonten Hemmungslosigkeit? Und wie ertrug er eine Atmosphäre, in der — bezeichnendes Detail — alle Frauen rasch das Weiblich-Anziehende verlieren und von zynischer Härte gezeichnet erscheinen, ein Umstand, der dem englischen Politbüro ernstliche Sorgen machte? Nun, die Depression der dreißiger Jahre, verbunden mit Eindrük-ken brutaler Polizeiaktionen, bereiteten den Boden, in dem das erste und einzige Glaubensdogma der KP gedeihen konnte. Daß nämlich die kommende kommunistische Gesellschaftsordnung der alten so überlegen sein werde, daß das Ziel alle
Mittel heiligt. Mit anderen Worten: Daß es ruhig noch einmal Schrecken, Blutvergießen, auch Krieg, ja auch Ausbeutung geben darf, damit all dies dann auf immer verschwindet. Das wird zunächst einmal Intellektuell ohne sichtbare Folgen akzeptiert, daneben bleiben eine Zeitlang noch alte Moral, alte Religionsbegriffe erhalten.
Doch allmählich werden sie ausgelaugt, teilweise zerstört, schließlich als „kleinbürgerliche“ Restkomplexe unter scharfe Bewußtseinskontrolle gestellt. Die Identifikation zwischen Individuum und Partei ist beinahe vollständig.
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