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Menschenfischer

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Der italienische Regisseur Pier Paolo Pasolini schuf mit seinem Schwarzweißfilm „Ilvangelo secondo Matteo“, der unter dem Titel „Menschenfischer“ gezeigt wird, den wohl eigenwilligsten, aber auch interessantesten Ohristusfilm, der jemals gedreht wurde. Weitab von allen herkömmlichen Darstellungen meist amerikanischer Provenienz, die von Phantasie- und effektreichen Szenen mit orientalischem Prunk und äußerlicher Wunderdramatik angefüllt waren, allzu oft auch dem frommen Kitsch bedenklich nahe, zeichnet Pasolini ein modernes, gleichzeitig aber auch viel echteres und zeitloseres Christusbild. Es ist der in einem armseligen Stall zur Welt gekommene Gottessohn, der später Seine Lehre und das revolutionäre Gebot der Liebe den Armen und Ärmsten der Welt verkündet. Ein Christus, der immer den Erniedrigten und Notleidenden am nächsten steht, dessen Worte Dynamit sind, weil sie eine Welt und ihren Geist vom Grunde auf umkehren und verändern.

Pasolini bleibt seinem Konzept in jedem Meter dieses Films treu. Die Landschaft ist nicht romantische Kulisse, sondern harte und unbarmherzige Wirklichkeit, und auch die Mitwirkenden sind ungeschminkte Menschen, von Not, Plage und Klima gezeichnete Gesichter. Christus selbst wird von dem spanischen Studenten Enrique Irazoqui dargestellt, ein ganz anderer Typ, als herkömmlicherweise aus braven Religionsbüchern und Heiligenbildchen geläufig. In seinem Gesicht ist der ganze Ernst und das Bewußtsein seiner Sendung erkennbar. Den Wundern, die dieser Jesus wirkt, fehlt jede Zauberhaftig-keit Sie dokumentieren die Macht des Menschensohnes über die Gesetze der Natur und sind gleichsam letzte Argumentation Seiner göttlichen Herkunft. Sie sind aber nur sparsam eingesetzt, denn Christus wußte um die zweifelnde Menschen-seele, Er wollte die freiwillige Gefolgschaft und die freie Entscheidung. Den ganzen Film durchzieht das Bestreben, weniger Christus, den göttlichen Religionsgründer, sondern Christus, den Verkünder einer neuen, revolutionären sozialen Botschaft erkennbar zu machen und trotzdem bricht, ob gewollt oder ungewollt, immer wieder die ewige Dimension dieser Gestalt durch.

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