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Vedova und Fronius

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Emilio Vedova ist Mitbegründer der „Fronte nuovo delle arti“ (1946, zusammen mit Guttuso, Firolli, Santomaso, Turcatp). Die Kunstvereinigung ist im wesentlichen abstrakt ausgerichtet, bezieht sich aber in ihrem Manifest programmatisch auf das Humane und das Soziale. Man sucht ein Engagement und will sich mit den Realitäten auseinandersetzen. Vedova ist Redakteur an den „4 Soli“, die in den zweiten Jahrgang eingestiegen sind und vornehmlich den Problemen der Abstraktion nachgehen. Auf den Biennalen von Venedig (Vedova lebt dort) trat er ständig in Erscheinung, 1956 kommt er mit einer Sonderschau.

Die literarischen Etiketten seiner Bilder bei Würthle (Wien I, Weihburggasse): „Aggression, Invasion, Unruhe, Protest, Aufruhr, Manifest...“, lassen ebenso auf ein explosives Temperament wie auf die Auseinandersetzung mit verwundenden Wirklichkeiten schließen. Das Objekt seiner Schöpfungen liegt nicht im sinnlichen Außen, so daß es in Netzhautbildern aufgefangen werden könnte, sondern im Weltbestand als solchem, im entgegentretenden Schicksal, mit dem er ringt. Daß das Problem der Zeit (ein typisch italienisches, von den Futuristen ererbtes) dabei eine Rolle spielt, ist sinnenfällig. Der seelische „Aufruhr“ steigert sich nichtsdestoweniger zu offen formulierter Dramatik, der vehemente „Protest“ bleibt kein expressionistischer Schrei. Das Tumultuöse kristallisiert sich im richtigen Augenblick. Die stärkste künstlerische Potenz neben Frankreich in Europa — Italien — hat sich in Vedovas erster Wiener Ausstellung gut manifestiert.

Hans Fronius, in der österreichischen Schicksalsstadt Sarajewo geboren (sein Vater wurde als Arzt nach dem Attentat auf den Thronfolger zu Franz Ferdinand gerufen), ist in der steirischen

Grenzstadt nach dem Osten, in Fürstenfeld ansässig. Die Grenzlinie zweier Landschaften verläuft dort zwischen dem heiter gegliederten Alpenland und der von unzähligen Mäandern der Feistritz durchzogenen melancholischen Tiefebene. Daß in der Graphik von Fronius gerade diese Komponente der Landschaft, als dem eigenen Empfinden gemäß, aufgenommen wurde, ist sinnbildlich. Die Endlichkeit und Hinfälligkeit, die Fragwürdigkeit und Dunkelheit der menschlichen Existenz ist sein Drama. Er beschäftigt sich mit Kafka und Julien Green, noch ehe diese beiden Dichter existenzialistisch Mode wurden, und versucht als Illustrator in jene, Tiefenschichten vorzudringen, aus der der Erzähler und Dichter selbst Kraft und Inspiration geschöpft hat. Daß Fronius auf das alte Testament in seinen Lithographien zur Davids-Geschichte zurückgreift, ist nicht verwunderlich. Den Zeichner fasziniert das Schicksalhafte, das die Person des Königs Saul umwittert; mit shake.-spearischer Gerechtigkeit werden die Personen gewogen. Davids Geschichte selbst ist die alte Kunde von Schuld und Reue als auch die fromme Botschaft von prophetischer Anklage und göttlichem Erbarmen.

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