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So betörend wie Mozart

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Sie ist in der heutigen Zeit wieder brisant geworden: die Geschichte der fremden äthiopischen Sklavin am ägyptischen Königshof, die im Konflikt zwischen Kriegsenthusiasmus, Heimatliebe und ihrer Zuneigung zum „feindlichen” Kriegsanführer Radames sich gemeinsam mit diesem freiwillig von der Welt verabschiedet. Freilich war es klar, daß Harnoncourt kein pasto-ses Verona-Hollywood-Tableau präsentieren würde, selbst seine überzeugendsten Anhänger mußte es jedoch überraschen, mit welch inspirierter Raffinesse er den bis dato unbekannten „Sub-Text” der Orchestersprache Verdis gleichsam neu erschuf.

Das Aida Thema des Vorspiels war polyphon verästelt wie eine Inventi-on von J. S. Räch, die Paukenstimme im ersten 'Terzett ein virtuos-bestür-zendes Synchron-EKG der drei Protagonisten. Vor allem durch die Interpretation des Schlußduetts ohne die üblichen schmalzigen „ritardandi” im ersten Melodieteil wirkte die Musik so enthoben, als sei sie wirklich nicht mehr von dieser Welt.

Die Sänger vermeiden gottlob das übliche zuckrige italianitä-Klangfon-due und orientieren sich konsequent am Duktus der Wörter. Daniela Dessl (Aida) hat ihre überzeugendsten Momente in ihren piano-Stellen, Vin-cenzo La Scola (Radames) kann sein lyrisches 'Timbre zum Leuchten bringen und Marjana Lipovsek leiht der Amneris ihren „fürstlichen Alt” (Th. Mann) - ihr Fluch gegen die Priester gerät zu einem musikgeschichtlichen Lehrstück zum Verhältnis von Sprechgesang, singendem Sprechen und Singen - alle scheinbaren, kulinarischen Traditionen der sogenann ten „Opernpraxis” sind mit einem Schlag widerlegt.

Umstritten die Inszenierung von Johannes Schaaf, der die Handlung in den gegenwärtigen Fernen Osten verlegt und die Kriegshetzerei der

ägyptischen Priesterkaste betont.

Am Schluß muß jedoch die Musik stehen. Viele Verdi-Liebhaber mögen sich an zahlreiche Aufführungen der „Aida” erinnern. Daß aber die Inspiration des Dialogs zwischen Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott, Harfe und spiccato-Streichern zu Aidas „estasi beate” im Nilakt in seiner betörenden Sinnlichkeit an Mozart mindestens heranreicht, das weiß man erst seit Harnoncourts Züricher Interpretation, einem Meilenstein der Verdi-Rezeption jedenfalls!

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