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Ein Amerikaner an der Salzach

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Das Salzburger Landestheater hat in seinem Montagstudio Murray Schisgals zweiaktige Komödie „Liiiebe“ auf die Bühne gebracht. Wenn man versucht, den Inhalt des Stückchens nachzuerzählen, wird einem alsbald klar, daß es keinen hat. Zumindest nicht im Sinne einer dramatischen Handlung, wie sie sich aus den Gegensätzen der Charaktere, aus der Auseinandersetzung dieser Charaktere mit der Welt ergibt. Statt eines Ablaufe: Ausgangs- und Endsituationen von vier Leuten in ihren Beziehungen zueinander (nur drei davon erscheinen auf der Szene), Gags und Pointen, ergötzliche makabre und groteske, aber auch peinliche und verdrießliche, in buntem Nebeneinander, collageartig montiert. Und immer geht es um das, was der Autor „Luv“ nennt. Der Übersetzer hat dafür das ironische „Liiiebe’ gewählt. Dieses „Luv" ist die Pervertierung, eine Persiflage von „Love“. Es soll andeuten, wozu Liebe heute geworden ist: Zu einem Bedarfsartikel.

Seit sich die Amerikaner Siegmund Freuds bemächtigt haben, ist ihnen ihre Unbefangenheit abhanden gekommen. Sie sehen sich selbst zu. kontrollieren sich mittels des Seelenmikroskops der Psychoanalyse, Und wenn sie Humor haben, sehen sie siich als Parodie ihrer selbst. Bei Schisgal trifft dieses letzte zweifellos zu, und da in sein Stück zuweilen auch die einander überschneidenden Schatten Strindbergs und Ionescos fallen, ensteht sogar eine Art Hintergrund mit tieferem Sinn.

Die drei Personen der Komödie präsentieren sich nicht als ausgeprägte Charaktere; sie scheinen vielmehr die Inkarnationen einiger jener Wesenszüge des Durchschnitts- amerikaners von heute, über die er sich selbst gerne lustig macht.

Michael Reisner nahm als Regisseur des Abends seine Chance wahr, alle Minen springen zu lassen, die der Autor gelegt hat. Er setzte Pointen von drastischer Komik und kümmerte siich wenig um die Hintergründe der Komödie. Allzuviel darf man dort ohnehin nicht vermuten. Als Harry Berlin bot Sepp Scheepers seine bisher beste Leistung in Salzburg. Diese seltsame Mischung aus naturburschenhafter Einfalt und schizophrener Disposition, aus Treuherzigkeit und pathologischem Si- mulantentum war durchaus glaubwürdig. Gerti Gordon gewann der puppenhaft komischen Ellen ungeachtet aller Verstiegenheit die Teilnahme des Publikums. Gerhard Balluch fand erst nach und nach den seiner Rolle angemessenen Stil. Das Bühnenbild von Marie Christin Carlowitz vermittelte die triste Stimmung, die der Situation der handelnden Personen entspricht.

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