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Das weiße Antimanagement

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Das letzte Skisportwochenende in Kitzbühel, von dem sich Optimisten (von denen Österreichs Skisport ja wimmelt) die große Umkehr erhofft hatten, vergrößerte mit dritten und vierten, ja sechsten und siebenten Plätzen das Debakel. Österreichs Skivorherrschaft wankt endgültig.

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Das letzte Skisportwochenende in Kitzbühel, von dem sich Optimisten (von denen Österreichs Skisport ja wimmelt) die große Umkehr erhofft hatten, vergrößerte mit dritten und vierten, ja sechsten und siebenten Plätzen das Debakel. Österreichs Skivorherrschaft wankt endgültig.

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Es regnet Vorwürfe gegen Rennsportleiter Professor Hoppichler: sie werden vor allem von Österreichs Skifabrikanten erhoben und stürzen das geschlagene Team in zusätzliche Verwirrung.

Der Professor reagierte mit Bemerkungen wie „Das ist wohl das letztemal, daß ich an einer solchen Sitzung teilnehme“ oder „Suchen Sie sich halt einen neuen Rennsportleiter“!

Der Grabenkrieg jeder gegen jeden, in dem sich Läufer, offizielle Betreuer, Firmenbetreuer, Fabrikanten, Sportfunktionäre und noch allerhand selbsternannte Mitredner ausweglos verwickelt haben, wird in der Frontlinie um Fragen von vergleichsweise untergeordneter Wichtigkeit vom Skiwachsein über das

Kantenfeilen bis zur Technik der Zeitmessung ausgefochten.

Hinter all den kleinen und großen Auseinandersetzungen an Nebenkriegsschauplätzen steht die Hauptfrage nach der künftigen Organisation des österreichischen Winterleistungssports, die eng mit finanziellen Problemen verbunden ist. Abgesehen von der Nachwuchsförderung, die von offizieller Seite mit viel zu geringem Engagement (sprich Zuschüssen) vorangetrieben wird, sind die Interessen des österreichischen Wintersports als Ganzes mit denen einiger heute noch recht selbstherrlich schaltender und waltender Skifabrikanten kaum unter einen Hut zu bringen. Es ist eine Ironie des Schicksals, daß nun Professor Hoppichler, der energisch für die Schaffung eines Pools aller am österreichischen Wintersport interessierten Stellen eingetreten und an diesem Projekt gescheitert ist, zum Sündenbock für Zustände gestempelt wird, die er nicht ändern konnte.

Heute gleicht Österreichs alpiner

Skisport einem Läufer, dessen Ski an unsichtbaren Fäden nach verschiedenen Richtungen gezogen werden, so daß er Mühe hat, überhaupt auf den Beinen zu bleiben. Der Rennläufer wird, olympische Ideale hin, Präsident Brundage her, besser oder weniger gut verschleiert, von den Skierzeugern bezahlt. Diese Fabrikanten sehen ihn als Eigentum an und betrachten die offiziellen Sportfunktionäre als Leute, die sich ungehörigerweise in die Interna der Betriebsführung mischen.

Andere Länder haben das Problem durch moderne Organisationsformen gelöst, etwa im Sinne des italienischen „Pool“, in dem alles, was vom Wintersport profitiert, vom Skierzeuger bis zur Wintermode, seinen Beitrag einzahlt, und der dann seinerseits unter weitgehender Ausschaltung aller Einzelinteressen den italienischen Rennsport finanziert. Noch wesentlich straffer ist der Wintersport unseres „Erbfeindes“ organisiert, und die bisherigen Erfolge haben Frankreich recht gegeben.

Insider sind der Meinung, daß Österreichs Skifabrikanten, wenn es so weitergeht, nicht nur mit sinkenden Marktanteilen im internationalen Geschäft rechnen müssen, sondern möglicherweise eines Tages — der kein ferner Tag sein muß — sogar mit einem absoluten Umsatzrückgang. Auch der österreichische

Winterfremdenverkehr, dessen beste Werbung Österreichs Wintersporterfolge waren, wird ein Ausscheiden der Alpenrepublik aus der Spitzengruppe der Wintersportnationen zu spüren bekommen.

Es steht demnach mehr auf dem Spiel als sportliche Ehren, und nur ein strafferes, an ausländischen Vorbildern orientiertes Management kann den für Österreich ungünstigen Trend ändern. Gewisse moderne Renntechniken, die mittlerweile in aller Munde sind, wurden hierzulande noch kaum zur Kenntnis genommen — auch dies gehört in das Kapitel Management — besser Antimanagement.

Sagte ein österreichisches Wintersportas nach einem (verlorenen) Rennen: „Was bei den Bundestheatern möglich wäre, müßte doch auch bei uns gehen. Vielleicht könnte man dem Jungbluth auch den Wintersport anvertrauen?“ Bundeskanzler Dr. Kreisky und sein Unterrichtsminister Gratz scheinen sich das auch gedacht zu haben. Aber — Publicity-Schachzug hin, Sportlerimage her — es braucht tatsächlich eines Druckes von oben, um die Kneissls, Arnsteiners und Fischers an den Tisch zu bekommen. Immerhin: unter früheren Regierungen ließ man’s eben laufen, wie es lief. Kreisky kann sich jetzt die Lorbeeren holen. Die Unterstützung eines Volkes, das um seine weißen Helden bangt, ist ihm gewiß. W. E.

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