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Die besten Wünsche

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Warum schickt man Weihnachtskarten? Um frohe Feiertage und ein glückliches neues Jahr zu wünschen, so die offizielle Erklärung . Das ist natürlich ein Unsinn. Man kann wissenschaftlich beweisen, daß die Stimmung während der Feiertage und die Gunst des Schicksals im neuen Jahr keineswegs von der Menge der erhaltenen Wunschkarten abhängen. Im Gegenteil, wenn man sehr viele Karten bekommt, kann es einem die ganzen Feiertage und noch eine ganze Woche im neuen Jahr verderben.

Zuerst kann man nicht ruhig schlafen, solange man nicht erraten hat, von wem die Glückwünsche mit den unlesbaren Unterschriften kamen. Nur sehr gelassene Menschen können sowas auf sich beruhen lassen. Besonders schlimm kann es werden, wenn darunter eine Karte aus München ist, an den Herrn adressiert, der da öfters geschäftlich zu tun hat, und er die Unterschrift als .Jianns-Heinrich“ deutet, seine Frau sie dagegen als .Jiannelore“ entziffert und die Geschichte von vor drei Monaten aufwärmt, als sie ihn abends im Hotel telefonisch nicht erreichen konnte. Na, herzlichen Glückwunsch und frohe Weihnachten.

Dann muß sich ein Empfänger von vielen Weihnachtskarten mühsam erinnern — oder mit der Liste vergleichen —, ob er auch allen geschrieben hat, die ihm schreiben, und nachträglich Karten verschicken mit erlogenen Begründungen für die Verspätung.

Man schreibt also Weihnachtskarten nicht deshalb, weil man glaubt, daß die Wünsche den Empfängern Glück bringen, sondern als eine Art Loyalitätserklärung, daß man sie nicht vergessen hat und ihnen Gutes wünscht.

Warum soll ich aber meinen Freunden einmal im Jahr schriftlich und feierlich bestätigen, daß ich sie nicht vergessen habe und ihnen das Beste wünsche? Ist das nicht eigentlich für beide Seiten beleidigend? Was ist das für eine Freundschaft, die solcher eidesstattlichen Erklärungen bedarf?

Bekannte hat man zweierlei: Solche, die man gerne sieht, und die anderen. Für die ersten gilt dasselbe, wie für die Freunde. Eine Karte an die anderen ist eine gefährliche Heuchelei, da der Austausch von Weihnachtswünschen zu einem Treffen führen kann, zu dem beide Seiten keine Lust haben.

Man kann — und soll — an Freunde und Bekannte schreiben, die man mag und mit denen man in der letzten Zeit keinen Kontakt hatte. Einen Brief, in dem man auch etwas mitteilen kann. Eine Weihnachtskarte ist ja nur im formellen Sinne eine persönliche Botschaft. Also verschicke ich lieber keine Weihnachtskarten.

Alle, die es betrifft, wissen auch so, daß ich ihnen das Beste wünsche. Nicht nur zu Weihnachten und zum Neujahr.

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