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Europäischer Kulturkampf
Während der Mitteleuropa-Gedanke von den Realitäten, sprich Nationalismen, zerstört wird, während sich europäische Völker am Balkan zerfleischen und noch nicht abzusehen ist, was der Zerfall des Sowjetimperiums bringt, während allenthalben davon gesprochen und geschrieben wird, daß die EG einer Krise entgegentaumle, träumt ein Franzose davon, daß sich die europäischen Werte durchsetzen werden. Aber nur dann, wenn sich die Franzosen in Europa durchsetzen: mit der lateinischen Lebensart.
Der französische Werbemanager Jacques Segu61a propagiert eine Art europäischen Kulturkampf: Die Europäer müßten dem American Way of life Ade sagen, der auf „der Kraft, auf dem Western und den GIs, auf der Expansion der amerikanischen Produkte basiert, nach denen niemand verlangt hatte: Coca-Cola und Marlboro, Dallas und Denver." Jetzt gehe es darum, ein „Europa der Kultur" aufzubauen. Und die europäischen Werte zu fördern. Das sind die Harmonie und der Ausgleich der Gegensätze, das Gleichgewicht, der Dialog und die Konzentration.
Das läßt sich aber nur durch „einen fürchterlichen Kulturschock" herbeiführen, durch einen „Krieg zwischen der nördlichen und der lateinischen Lebenskunst". Dieser Krieg wird zwischen Deutschland und Frankreich geführt, Frankreich gewinnt ihn selbstverständlich und Deutschland anerkennt die
französische Hegemonie.
Diese Botschaft kommt aus einem Land, das in den letzten Jahren amerikanischer als die Amerikaner sein wollte. Man denke an das französische Disneyland oder an die grelle Festivität zum 200. Jahrestag der französischen Revolution. Da stellte Paris Las Vegas in den Schatten.
Aber Monsieur S6gu61a hat einen richtigen Gedanken, und auch der Ausgangspunkt seines Denkens ist richtig. Der Chef einer Werbeagentur entdeckte nämlich, daß das Publikum immer intelligenter wird, Jedenfalls intelligenter als jene, die es regieren und für dumm verkaufen". Die Menschen, so propagiert Jacques S6gu61a, begnügen sich nicht mehr damit, Konsumenten zu sein, sie wollen Akteure werden. Sie haben die Manipulation satt und wollen die Partizipation.
Das europäische Zeitalter hat jedenfalls bereits begonnen; jetzt geht es nur noch darum, die lateinische Lebensart zu exportieren und dafür hätten wir, so meint S6gu61a, ein bis zwei Jahrzehnte Zeit. Vielleicht aber geht das alles auch ohne Krieg. Vielleicht genügt es, Monsieur Segu61as Werbeagentur mit dieser Aufgabe zu betrauen, damit gesamteuropäisch für diese Idee geworben werden kann - ohne Manipulation selbstverständlich.
Jacques Seguela hat genug einschlägige Erfahrungen. Eine seiner erfolgreichsten Kampagnen war die Wahlwerbung für Franz Vranitzky: „Sie war hervorragend konzipiert, nichts blieb dem Zufall überlassen."
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