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Alle Jahre wieder...

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Seit meiner Jugend gehört das Raunzen über den Verlust an Tiefe und über das Klingeln der Kassen zur Adventstimmung. Dabei wäre es für uns Christen einfach, den Anlaß - oder soll ich sagen: den Vorwand - des gefühlsbe-ladenen Festes ernst zu nehmen. Wir feiern interkonfessionell die Ankunft von „Gottes eingeborenem Sohn, empfangen vom Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria”.

Wie feiert man in einer Welt, die uns Lebenserfahrungen mit Ihm in Seiner Kirche als Heile-Welt-Illusionen madig machen will? Die die lebenslange sakramentale Liebesehe zwischen Mann und Frau als Auslaufmodell verachtet, sie zugleich aber für Homosexuelle in schrillen Tönen fordert. Die die Familie auszehrt und sie zugleich als Tankstelle für ausgebrannte Arbeitskräfte wirtschaftlich verwerten will. Die an meiner katholischen Kirche partout nichts anderes interessiert als die mediale Aufgeregtheit vieler Unbeteiligter. Die allein den Wunsch nach Normalität (Ordnung im Chaos), Harmonie (Heil in der Heillosigkeit) und Geborgenheit (Vertrauen in der Verlorenheit) belächelt, zugleich aber vorwiegend nur heiße Luft anzubieten hat.

Wie feiert man in einer Kirche, die an ihren Gegensätzen zu zerreißen droht? Ist fundamentalistisch, wen das autoritäre Gehabe der Autoritätskritiker abstößt? Ist pervers, wer nach der Normalität der Normalitätsverächter fragt? Ist destruktiv, wen die Pflicht der Pflichteifrigen die Freude verdirbt? Ist chaotisch, wer fragt, ob die Ordnung der Ordnungshüter in Ordnung ist? Ist sentimental, wer die Freude der Frohen Rotschaft erleben möchte?

Eine bekannte Kolumnistin fand es „absolut sensationell”, wenn eine TV-Show „damit ankommt, daß Menschen ein bißchen reden miteinander”. Wie absolut ur-sen-sationell müßte es erst sein, würden wir in der Adventzeit leibhaftig und live miteinander reden, statt andern Leit'n über die Bildröhre dabei zuzuschauen. Noch dazu, wenn unser Gesprächspartner auch das Geburtstagskind selbst wäre...

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