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Jedem sein „gutes Programm“

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Es gibt in jedem Land Zeichen, die auf bevorstehende Wahlen hinweisen. In der Schweiz läßt sich die Nähe von Parlamentswahlen auch an der Thematik ablesen, die von interessierten Kreisen in die Öffentlichkeit getragen wird. Deutlich wurde dies zunächst, als sich der Stoß von Interpellationen, Postulaten und kleinen Anfragen, die sich auf Fernsehen und Rundfunk bezogen, zu einem Berg ausgewachsen hatte, der nur in einer Monsterdehatte halbwegs abgetragen werden konnte.

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Es gibt in jedem Land Zeichen, die auf bevorstehende Wahlen hinweisen. In der Schweiz läßt sich die Nähe von Parlamentswahlen auch an der Thematik ablesen, die von interessierten Kreisen in die Öffentlichkeit getragen wird. Deutlich wurde dies zunächst, als sich der Stoß von Interpellationen, Postulaten und kleinen Anfragen, die sich auf Fernsehen und Rundfunk bezogen, zu einem Berg ausgewachsen hatte, der nur in einer Monsterdehatte halbwegs abgetragen werden konnte.

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Man beanstandete den Mangel an Unabhängigkeit der Fernsehschaffenden und warf ihnen eigenwillige Manipulation vor, man warf der Direktion Einmischung in den Bereich der Programmleute vor und beanstandete den Mangel an straffer Führung, man warf dem Fernsehen Provinzialismus vor und bekrittelte,

daß es sich zuwenig um die kulturellen Belange der Täler und Gemeinden kümmert. Alle Anklagen der einen richteten sich gegen Generaldirektion und Struktur der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft, wogegen jene, die es sich oben nicht verderben wollten, nach unten traten.

Vor vier Jahren, ebenfalls wenige Monate vor den eidgenössischen

Wahlen, war es ebenso, auch ebenso dürftig, nur weniger breit, doch hatte damals natürlich das Fernsehen noch nicht die heutige Bedeutung. Rundfunk und Fernsehen sind nach Ansicht der Parteistrategen brisante Wahlkampfthemen. Allerdings gehen die Meinungen, wie der erwähnte Katalog zeigt, auseinander.

Das Publikum will in erster Linie ein „gutes Programm“, aber was dem einen sein Fußball ist, ist dem anderen seine Oper, was dem einen sein Krimi, ist dem anderen sein Kulen- kampff. Nur die Parteien, vor allem ihre Anhänger und noch mehr ihre Sekretäre, sind sich einig: möglichst viel Politik, jedoch nur, soweit sie von den Parteileuten selbst gemacht wird.

Damit hat es allerdings seine Schwierigkeit. In der deutschsprachigen Schweiz kann man. an den meisten Orten nebst den schweizerischen Programmen auch noch zwei deutschsprachige Auslandssender (entweder zwei westdeutsche oder einen westdeutschen und den österreichischen) empfangen, und es gibt Regionen wie Basel, wo die Auswahl noch wesentlich größer ist. Politisch hat dies seine Nachteile. In einer westdeutschen Diskussionssendung miterleben zu können, wie etwa Franz-Josef Strauß nach Strich und Faden zerzaust wird, ist außerordentlich spannend, und immer wieder wird dann sofort die Frage laut: „Warum macht man so etwas nicht auch einmal mit einem schweizerischen Bundesrat?“

Die Antwort ist einfach: ein westdeutscher Minister ist für alles, was in seinem Ministerium vorgeht, verantwortlich, die schweizerische Regierung amtiert aber im Kol- legdalsystem, weshalb ein einzelner Bundesrat nicht nur kaum gestürzt, sondern auch relativ schwer so hart in die Zange genommen werden kann. Dazu kommt aber noch etwas anderes, typisch Schweizerisches: Die Mehrheit jener Leute, die ein rücksichtsloses Hearing mit einem Bundesrat fordern, würde protestieren, ginge man mit diesem Bundesrat tatsächlich um, wie die Westdeutschen etwa mit Franz-Josef Strauß. Denn die Autorditätsgläubigkeit des Schweizervolkes ist höchstens am Biertisch etwas reduziert.

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