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Kaffeehausidyll

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Das Kartenspiel kann man in drei verschiedene Kategorien ein teilen. Vielleicht sogar in mehr, aber das war schon wieder zu viel; außerdem fühl ich mich für einen Philosophen noch zu knusprig. Ich bin ein elastischer Mensch!

Also erstens ist das Kartenspiel ein harmloses, wie man sagt, ländliches Vergnügen, für Förster und Wilddiebe wohlgeschaffen, das heißt, solang das Bummerl um zehn Groschen geht, Zweitens mag es auch ein Laster sein. Nämlich, wenn der Spieler glück mit den neumodischen Haarschnitten zu versehen, auf das vortrefflichste.

Neulich, im Cafe Smejkal, saßen die beiden und mischten traumverloren seit einer geschlagenen Stunde Karten. Jeder von ihnen hatte ein Packerl in der Hand und ließ es, den diversen Abarten des Mischens entsprechend, durch die Elastizität der zehn Finger gleiten. Es war recht fad! Zugegeben, es gibt Hübscheres als nur mischen, aber was soll man schon machen, wenn kein rechter Partner in Greifnähe ist.

Die Schneefälle der letzten Nacht waren so stark gewesen, der Weg ins Cafe so märchenhaft verschneit, daß sogar jetzt noch, um 6 Uhr abends, Albin und Sigismund die einzigen Gäste bildeten. Draußen tobten Sturm und Straßenbahn mit elementarer Kraft gegeneinander, und über der Messingtheke des Cafes tickte die ehrwürdige Pendeluhr des Gustav

Adolf Smejkal, welcher das Etablissement im Jahre 1889 begründet hatte.

Der Ober schlief im Stehen, die zwei Billards träumten von der Liebschaft einer roten und einer weißen Elfenbeinkugel, und in den Queues an der Wandstellage trieb ein hölzerner Rheumatismus sein besinnliches Wesen.

„Wan des so weidaged“, gähnte Sigismund unlustig, „wean ma heit kaa Marie mea hebm!“

„Da Schnee, da Schnee“, gähnte Albin ebenso, „dea duat den oa- man Waserln wee, oi jee!“ „Depat wiad ma bei dera ölen- dign Woaterei!“ meinte Sigismund. „So ganz bled, das ma fua lauta Laungwäu scho zum Dichtn aufaunga kentat!“

„I dua s jo ee scho!“ sagte Albin, „hosd a s net ghead, wos i dicht hob?“

Unter dieser Rede kam ein älterer Herr ins Kaffeehaus^ setzte sich an den Nebentisch. Schlaftrunken kam der Ober auf ihn zu und fragte um die Bestellung. Ein Hin und Her, der Ober mußte schreien, damit ihn der neue, fremde Herr verstünde.

Also, einen dreistöckigen Sta- nislauer will er haben. Nun, der Ober brachte das Verlangte, und der Schwerhörige war zufrieden.

Sigismund sah Albin bedeutungsvoll an, dieser zwinzelte zurück, stand betont harmlos auf und ging an den Tisch des Schwerhörigen. So laut als er nur konnte, schrie er:

„Wia is s, Herr Masta, wo(ln S ned a Bummerl mid uns ausschnapsen?“

„Bitte“, sagte der Angesprochene, „redn S a bißl lauta, i hab nämlich ein leichtn Gehörfehla!“

Schrie der Albin noch lauter: „Ob S a Badii Tarock spieln wollen, hob i gfrogt!“

„Wos, a Bockbier?“ fragte unschuldig der ältere Herr. „Aber liaba Freund, das gibts doch nua zu Weihnachten oder zu Ostern oder zu …“

„Ob S fileichi an Preferenza met uns mochn wolln?“ schrie jezt auch Sigismund mit einer wahren Stentorstimme dazwischen.

„Wer ist a Strawanza, ha?“ meinte jetzt der Angeschriene giftig.

Sigismund, ein von Natur aus sanfter Mensch, rang jetzt verzweiflungsvoll die Hände. Kaum hörbar, aber sehr grimmig, knirschte er zwischen den falschen Zähnen hervor:

„An Kren brauchert ma, du torische Kapelln, an Kren, zum Kartnspieln!“

Da schlug der Herr die Augen sehr erstaunt zum Plafond auf und sagte:

„I weiß net, wia s es Kartn spieln tat s, aber bei uns schreiben s die Stich immer mit aner Kreiden aufs Taferl und net mit aner Krenwurzen …" Der ältere Herr war nämlich gar nicht törrisch!

Das neue Buch von H. C. Artmann „Im Schatten der Burenwurst“ enthält alte und neue Erzählungen und erschien soeben im Salzburger Residenz-Verlag.

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