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Bayern anekdotisch

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Hochwürden P., inzwischen ein hoher Ordensgeistlicher und in einem eleganten Wohnstift mit beinahe weltlichem Komfort untergebracht, denkt noch gern an seine Zeit als Landpfarrer zurück. Damals gab’s zwar noch keine Limousinen, und der Umgangston war ungleich deftiger, aber dafür fehlte es nicht an herzhaften Kontakten mit dem Landvolk.

„Ich erinnere mich“, erzählt P., „ein junges Brautpaar im Brautexamen gefragt zu haben, ob es denn auch geprüft habe, wie sie zusammenpaßten. Die Antwort ist mir unvergeßlich: ,No frei- li, Herr Pfarra’ sagte der Bräutigam ganz ernsthaft, .wissen S’ es denn nimma, wie ma’s Ihnen ollaweil beicht’ harn?“

„Das war überhaupt eine Zeit, die man heute gar nicht mehr für möglich halten möchte“, erzählt P. „In den Marktflecken, wo ich Pfarrer war, steht eine wunderschöne Barockkirche. Sie zog auch immer wieder Touristen an, was mir gar nicht so lieb war, denn meine älteren Gemeindekinder, die trauten sich dann gar nicht mehr ins Gotteshaus. Sehe ich da eines Tages wieder einen Autobus kommen, die Scharen ergießen sich in das Kirchenschiff, und vorn sitzt die alte Windschnurbäuerin und betet und betet. Wie sie die Touristen kommen sieht, steht sie mühsam auf, erweist dem Allerhei-

ligsten die Ehre und drückt sich an den Fremden vorbei heraus ins Sonnenlicht.

,Windschnurbäuerin’, sag’ ich, .warum gehst denn weg … die tun dir doch nix!’ - ,Tean tan s’ ma nix, Herr Pfarra\ antwortet die Alte, ,aba i hab s’ halt net störn wolln, wer woaß, wann die wieder in a Kirchn kemma!’ - Ist das nicht ein wunderbares Wort?“

In Mittenwald ist man auf die Halbschuh-Touristen aus Niederdeutschland nicht allzu gut zu sprechen und erzählt sich darum gern die Geschichte jenes Ehepaares, das sich keuchend in Richtung Schöttelkarspitze dahinquält, bis eine weite Almweise mit ihrem bunten Blumenbestand zu einer Rast einlädt.

„Guck doch mal, Luise“, schreit er begeistert, „da stehen doch tatsächlich Edelweiß in allen Farben!“

Zeitweise hat man den Eindruck, daß bayerische Amtsstellen von ihrem Vorschlagsrecht zum Bundesverdienstkreuz doch recht großzügig Gebrauch machen. An so einem Tag, an dem wieder eine lange Liste von Neu-Ausgezeichneten in der „Süddeutschen Zeitung“ stand, soll es auf dem Viktualienmarkt zu einem Auflauf gekommen sein.

„Was is passiert?" will die Funkstreife wissen.

„De Kass hat ana gstoln!“ schreit die Standlfrau erbost.

„Wia hat a denn ausgschaut?“

„Woaß i net…, aber an guaten Anzug hat a o’ghabt.“

„Hat a’s Bundesverdienstkreuz ghabt?“

„Naa, des net!“

„Nacha … “, erklärt der Funkstreifenbeamte befriedigt, „nacha ham- man gleich!“

Erich Kästner hatte nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr viel veröffentlicht, aber sein Ruhm verwelkte nicht bfs zu seinem Tod. Eine der letzten Veranstaltungen, die er besuchte, war der sechzigste Geburtstag eines ihm befreundeten Verlegers. Zu diesem sagte er, das Glas in der Hand: „Daß wir wieder werden wie die Kinder ist eine unerfüllbare Forderung; aber wir können zu verhüten suchen, daß die Kinder werden wie wir.“

(Aus dem gleichnamigen dtv-Taschenbuch)

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